Gaelen Foley - Amantea - 01
wiederholte den Vor- gang. Diesmal kamen ihre Finger seinem Mund gefährlich nahe. Eine Weile schwiegen beide, während er am Kaffee nippte und sie beobachtete, wie die Brise das Segel über ihnen aufblähte.
„Was für ein schönes Schiff Sie doch haben“, sagte Allegra schließlich.
Er antwortete nicht gleich, sondern betrachtete sie. Sie wandte sich ihm zu, und in ihren Augen lag Bewunderung.
„Kommen Sie“, meinte Lazar unvermittelt. „Lenken Sie es.“
„Ich?“
„Sie, Signorina Monteverdi.“
„Aber ich weiß doch nicht, wie das gemacht wird.“
„Ich werde es Ihnen beibringen.“ Sie steckte ihm das letzte Stück der biscotti in den Mund, und er knabberte spielerisch an ihren Fingern. Dann nahm er den Becher mit Kaffee in die linke Hand und hielt mit dem Handge- lenk eine Spindel des Steuerrads fest. Mit der freien Hand zog er Allegra vor sich, so dass sie zwischen ihm und dem Steuerrad stand.
„Es ist ganz einfach“, erklärte er.
Er legte ihre weichen Hände auf zwei Spindeln, so dass
sie das Steuerrad links und rechts festhielt. Auf diese Weise konnte er seine linke Hand Allegras Hüfte hinabgleiten lassen. Im letzten Moment jedoch zog er sie fort, bevor er noch den Stoff berührt hatte. Lazar trat einen Schritt zurück.
Es wäre ausgesprochen töricht von ihm, Allegra zu be- rühren, nachdem sie gerade erst anfing, ihm zu vertrauen. Er ging stattdessen zu der Luke und lehnte sich an die ge- bogene Überdachung. Interessiert beobachtete er Allegra, während er seinen Kaffee trank.
„Steuere ich schon?“ fragte sie verblüfft. „Mache ich es richtig?“
Er lachte. „Sie scheinen das früher schon einmal probiert zu haben.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser auf das offene Meer schauen zu können, und lächelte fröhlich.
„Als Nächstes können Sie dann das Deck ausbessern.“
„Lazar!“ erwiderte sie tadelnd. Dann verbesserte sie sich rasch. „Ich meine natürlich Kapitän.“
Er lächelte über ihr Versehen, seinen Namen benutzt zu haben. „Achten Sie auf den Eisberg.“
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu.
Ja, dachte er. Ich bekomme sie schon noch.
Obgleich sie nur eine Viertelstunde am Steuerrad ge- standen hatte, ehe der Dienst habende Steuermann kam, fand Allegra es höchst aufregend, ein so großes Schiff zu lenken.
Dieses Erlebnis würde sie sicher niemals vergessen. Sie wunderte sich über Lazars Vertrauen in sie und war so erfreut darüber, dass sie sogar bereit war, den Sonnenauf- gang mit ihm zu betrachten. Das war auch der eigentliche Grund gewesen, weshalb sie aufgestanden und schon an Deck gekommen war.
Der Kapitän behauptete, dass man die beste Aussicht auf dem so genannten Ausguck hatte – der kleinen Platt- form, die hoch oben auf dem Hauptmast befestigt war. Sie befand sich gute hundert Fuß über ihnen.
„Dort hinauf werden Sie mich niemals bekommen“, er- klärte Allegra. Doch als Lazar sie anlächelte, verschwan- den alle Zweifel – so wie das Wasser des Meers die Furchen alter Muscheln abschliff. Vielleicht hätte sie sich dennoch
ihrer Höhenfurcht wegen geweigert, doch er forderte sie heraus.
„Seien Sie doch nicht albern“, sagte sie streng.
„Ängstliches Häschen!“ erwiderte er liebevoll.
Sie kniff die Augen zusammen. „Wir werden sehen, wer hier ein Feigling ist!“
Kurz darauf war Allegra bereits dabei, die Leiter hinauf- zuklettern. Lazar befand sich dicht hinter ihr und schwor ihr stumm bei seiner Ehre, dass er nicht unter ihr Kleid schauen würde.
Er hatte ihr geraten, ihre Satinschuhe auszuziehen, da sie auf den Sprossen und Seilen zu leicht ausrutschen würde. Mit nackten Füßen berührte sie die Hanftaue, wäh- rend sie von riesigen weißen Segeln umgeben war, die vom Wind sanft gebläht wurden und leise Geräusche wie das Flattern von Engelsflügeln vernehmen ließen.
Vor Verblüffung und Aufregung vergaß Allegra bald ihre Furcht. Noch nie zuvor hatte sie einen Sonnenaufgang auf dem Meer erlebt, diesen für sie geradezu heiligen Vorgang auch noch nie mit jemand geteilt.
Es war nicht einfach, hinaufzuklettern. Doch es geht leichter, wenn man nur nach oben sieht, stellte Allegra rasch fest. Nachdem sie am mittleren Querbalken vorbei war, fühlte sie sich unbehaglich, als sie doch auf das Deck darunter schaute, auch wenn Lazars Anwesenheit unmit- telbar hinter ihr sie beruhigte. So rasch sie konnte, stieg sie weiter hinauf, um nicht einen Moment der neu entdeckten Freiheit zu
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