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Gaelen Foley - Amantea - 01

Gaelen Foley - Amantea - 01

Titel: Gaelen Foley - Amantea - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Herrscher von Amantea
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versäumen.
    Aber als sie den Ausguck erreichte, ergriff sie doch Furcht. Es war eine runde Plattform, die nichts außer einem niedrigen Geländer hatte, wo man sich festhal- ten konnte. Lazar half ihr von unten, bis sie den großen Kiefernmast umklammert hatte.
    Sie hatte nicht erwartet, sich wie auf dem riesigen Pendel einer gewaltigen Uhr zu fühlen, die auf dem Kopf stand. Ängstlich griff sie nach einer der Holzlatten, die an den Masten genagelt waren. Lazar erklärte ihr, dass sie für Ge- wehre verwendet wurden, wenn Scharfschützen hier oben postiert waren. Allegra hörte kaum zu.
    „Ich glaube nicht, dass ich es wieder nach unten schaffe“, flüsterte sie mit vor Furcht weit aufgerissenen Augen.
    Lazar redete ihr gut zu, während er sich neben sie auf die

Plattform schwang. Er trat auf sie zu, um sie festzuhalten, doch sie blickte ihn voller Angst an.
    „Fassen Sie mich nicht an. Ich falle sonst!“
    Er hob die Hände, als würde er sich ergeben. „Ganz wie Sie wollen.“
    Sie schauten nach Osten. Als sie die sanfte Brise spürte, die hier oben wehte, und ihr klar wurde, dass sie vielleicht doch nicht in Gefahr schwebte, vermochte Allegra sich dazu zu zwingen, sich etwas zu entspannen. Sie drückte sich an den Mast.
    Lazar wandte sich zu ihr und strich ihr über den Rücken. „Alles in Ordnung, chérie?“
    Sie nickte. „Es tut mir Leid. Ich befürchte, ich bin doch etwas furchtsam.“
    „Ganz und gar nicht. Sie haben dem Teufel von Antigua mitten ins Gesicht gesagt, er sei ein gewöhnlicher Dieb. Das würden die meisten Männer nicht wagen.“
    Sie warf ihm einen Blick zu. Er spiegelte sowohl ihre Dankbarkeit für seinen Versuch, ihr Mut zu machen, als auch den Schmerz beim Gedanken an das schreckliche Erlebnis auf der Stadtmauer wider.
    Lazar sah sie einen Moment lang an, dann beugte er sich nach vorn, um ihr einen zarten Kuss auf die Wange zu geben. „Guten Morgen, Allegra.“
    Sie senkte den Kopf und errötete. „Guten Morgen, Kapitän.“
    Er schien ein Lächeln zu unterdrücken. „Also, fahren wir mit Ihrer heiligen Handlung fort. Erklären Sie mir, was so wichtig an diesem Sonnenaufgang ist.“ Er setzte sich und ließ die Beine baumeln, während er die Hände auf das niedere Geländer legte und das Kinn abstützte.
    „Als ich sieben war, weckte mich meine Mutter eines Morgens sehr früh. Sie zog mich an und ging mit mir zu einem Hügel in der Nähe unseres Hauses. Wir sahen zu, wie die Sonne aufging, und ich erinnere mich daran, dass sie weinte.“
    Er wandte sich Allegra zu und sah sie schweigend an. Das zunehmende Licht ließ die eine Seite seines Gesichts orangefarben schimmern.
    „Damals verstand ich nicht, weshalb sie es tat“, fuhr sie fort. „Aber nach Jahren habe ich es begriffen. Ich war fünf, als die Fiori umgebracht wurden, und ich glaube, dass

meine Mutter die ganze Zeit um sie getrauert hat. Sollte ich lieber nicht über meine Familie mit Ihnen sprechen?“ fragte Allegra unvermittelt.
    „Ihr Vater hat bezahlt“, erwiderte Lazar. „Fahren Sie fort. Ich würde gern mehr über Ihr Leben hören.“
    „Mein Vater versuchte, meine Mutter zu trösten, aber ...“ Kurz hielt Allegra inne. „Sie standen sich nie sehr nahe. Ich bin mir sicher, dass er keine Ah- nung hatte, wie er ihr hätte helfen können. Nicht nur ihre Freunde, sondern ihr ganzes Dasein war vernichtet worden.
    Jahrelang gab sie sich ihrem Schmerz hin. Ihre Gesund- heit verschlechterte sich, sie ging kaum aus dem Haus. Oft fand ich sie weinend, und sie war kaum in der Lage, sich um mich zu kümmern.“
    Lazar berührte ihr Knie. Sein Blick verriet warmes Verständnis.
    „Ich möchte mich nicht darüber beklagen. Ich hatte eine ausgezeichnete Amme“, fügte Allegra hastig hinzu und lächelte flüchtig.
    Er neigte den Kopf zur Seite und schaute sie auffordernd an.
    „Ich glaube, dass an jenem Tag, an dem wir den Son- nenaufgang betrachteten, meine Mutter ihren Verlust zum ersten Mal akzeptierte. Sie verstand, dass sie noch immer etwas mit dem Leben verband und dass sie ein Kind hatte, das sie brauchte.
    Nach diesem Erlebnis tat sie gute Werke und kam all- mählich wieder zu Kräften. Wenigstens bis zu jenem Zeit- punkt, als die Melancholie wieder durchbrach, strahlte sie Stärke und Ruhe aus.“
    „Genau wie Sie.“
    Allegra war überrascht.
    Er lächelte sie an. „Sie muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein“, sagte er.
    „Wenn es ihr gut ging.“ Allegra nickte und hatte plötz- lich gegen Tränen

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