Gaelen Foley - Amantea - 02
Pferd sich nicht losreißen konnte, klopfte dem ruhelosen Tier beschwichti- gend auf den Hals und kehrte dann zum Wagenschlag zurück. Ein Untergebener reichte ihm zwei Gewehre, und daraufhin stieg er ebenfalls in das Gefährt.
Erneut begann es zu regnen.
Mit dem Rücken zu Serafina, verstaute er die Waffen auf dem Gestell über seinem Sitz, ehe er sich ihr gegenüber nie- derließ. Er beugte sich, wieder in seine makellose schwarze Jacke gekleidet, nach vorn und warf die Tür zu. Gleich darauf schob er die Riegel vor.
Einen Moment blickte er geistesabwesend die Prinzessin an, als ob er innerlich eine Liste durchgehen würde. Kühl winkte er dem Königspaar zu, bevor er an die Decke schlug – das Abfahrtssignal für den Kutscher.
Das Gefährt setzte sich in Bewegung.
Serafina schaute Darius in der Dunkelheit aus großen Au- gen an. Das Herz pochte ihr bis zum Halse, als ihr bewusst wurde, dass sie ihren Willen durchgesetzt hatte. Während der kommenden Tage, vielleicht sogar für eine ganze Woche, hatte sie Darius Santiago für sich allein. Sie wusste nicht, ob sie entzückt oder entsetzt sein sollte.
Als die schaukelnde Kutsche allmählich an Geschwindig- keit gewann, sprach keiner der beiden ein Wort.
Die Kavalkade ritt durch die Tore und auf die schlammige Straße. Schon bald waren statt der wenigen Wälder Felder im Mondlicht zu erkennen, doch sie schwiegen weiterhin. Diese Stille ließ die quietschenden Geräusche der Kutsche und das
Trommeln des Regens auf das Dach lauter als sonst erschei- nen. Allmählich wurde die Straße steiler, denn ihr Ziel lag in den kühlen, bewaldeten Bergen von Amantea.
Von Zeit zu Zeit blickte sie heimlich zu dem Mann, der ihr gegenüber im Schatten saß. Sie spürte, dass Darius sie be- obachtete. Unausgesprochene Fragen gaben der Stimmung etwas Bedrückendes.
Eine unbestimmte Furcht breitete sich in ihr aus, bis Serafina es nicht mehr länger ertrug.
„Wie geht es Ihrer Schulter?“ fragte sie schüchtern.
Statt zu antworten, blickte er sie nur stumm und düster an.
Serafina drückte sich tiefer in die Samtpolster. „Seien Sie nicht ungerecht. Es war die Entscheidung meines Vaters. Ich habe ihm nur die Wahrheit gesagt.“
Wieder erwiderte er nichts.
„Darius“, bat sie ihn. „Sie machen mir Angst.“
„Sie sollten auch Angst haben. Mein Gott, wissen Sie das denn immer noch nicht? Sehen Sie nicht, was ich bin?“
„Nein. Was sind Sie denn?“
Angewidert schüttelte er den Kopf. Die Kutsche bog um eine Kurve, und Serafina blickte starr in die Dunkelheit hi - naus. Sie kamen an einem Bauernhof vorbei und fuhren dann langsam einen höheren Berg hinauf.
Sie hörte, dass Darius sich bewegte. Ein Kli cken war zu vernehmen. Vermutlich hatte er den kleinen Hohlraum unter seinem Sitz geöffnet. Kurz darauf legte er ein Kissen und eine Wolldecke auf den Sitz neben sie.
„Legen Sie sich hin.“
„Ich bin nicht müde ...“
„Doch, das sind Sie. Es ist drei Uhr morgens. Selbst Sie sind um diese Zeit gewöhnlich im Bett.“
„Woher wollen Sie das wissen?“ Sie war insgeheim erfreut, dass er sie nicht schon wieder Hoheit nannte.
„Halb zwei ist Ihre Zeit, um sich zur Ruhe zu begeben.“
Eine Weile sah sie sprachlos auf die schwarze Silhouette ihr gegenüber. „Woher wissen Sie das?“
„Zigeunerzauber. Sie sollten eines verstehen, Serafina“, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. „Diese Reise haben Sie gewollt. Sie haben bekommen, was Sie sich wünschten, und nun müssen Sie damit leben. Sie schlafen, wenn ich es sage. Sie stehen auf, wenn ich es sage. Sie essen, wenn ich es sage.
Während der nächsten Woche gehören Sie mir, Serafina,
und ich werde keinerlei Unsinn dulden. Gern können Sie wei- nen, wenn es Ihnen nicht behagt, aber nützen wird es Ihnen nichts.“ Er gab ihr die Wolldecke. „Nun legen Sie sich hin, und seien Sie still.“
Serafina war empört. Doch sie wusste, dass es sinnlos war, jetzt mit ihm darüber sprechen zu wollen.
Erzürnt musste sie einsehen, dass es am besten war, es sich bequem zu machen. Sie zog die Rehfellstiefel aus, dann brei- tete sie die Wolldecke über sich und legte sich mit dem Kopf auf dem Kissen seitlich auf die Sitzbank. Daraufhin öffnete sie den obersten Knopf ihres Reisekostüms.
Nach einer Weile beugte Darius sich nach vorn und wickelte die Decke um ihre Füße, die in Strümpfen steckten.
Verwirrt schaute Serafina ihn an, während er sich wie- der zurücklehnte und den Ellbogen am Fensterrahmen ab-
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