Gaelen Foley - Amantea - 02
verließ er nahezu lautlos das Zimmer.
6. KAPITEL
Serafina öffnete die Augen und blinzelte. Sie erblickte einen in Rosa gehaltenen Raum, in den helles Licht fiel.
Still lag sie da und verweilte in jenem Zustand zwischen Wachen und Schlafen, in dem es keine Zukunft und keine Ver- gangenheit gab und alles wunderbar war. Eine frische Som- merbrise wehte durch das offene Fenster herein und ließ ein paar Haarsträhnen ihr Gesicht kitzeln. Sie rührte sich nicht, sondern ließ nur das herrliche Licht und das Gefühl völliger Ruhe auf sich wirken.
Draußen vernahm sie die Stimme ihrer Zofe. Inzwischen musste also auch die Kutsche mit jenen Bediensteten einge- troffen sein, die Darius für vertrauenswürdig gehalten hatte. Sie waren gemeinsam mit ihrem restlichen Gepäck und dem Proviant für die Soldaten nachgereist.
Darius.
Serafina streckte sich ausgiebig und verschränkte zufrie- den lächelnd wie nach einer Liebesnacht die Arme hinter dem Kopf.
Sie erinnerte sich nur noch dunkel daran, wie er sie in das Haus getragen und sanft auf das Bett gelegt hatte. Noch immer hatte sie ihr Reisekostüm an.
Wie schade, dass er mich nicht entkleidet hat, dachte sie sehnsüchtig. Wenn sie andererseits der berühmteste Liebha- ber des Königreichs ausgezogen hätte, wäre es wohl ange- brachter gewesen, es im wachen Zustand zu genießen.
Du solltest nicht darüber scherzen, tadelte sie sich. Ein Schatten verdüsterte ihre sonnige Stimmung, als sie an ihren zukünftigen Gatten dachte.
Anatol hatte ihr in warnendem Ton seine Regeln und Er- wartungen dargelegt. Sie war überzeugt, dass ihm auch das geringste Interesse, das sie einem anderen Mann entgegen- bringen könnte, nicht entgehen würde. Seit ihrem Debüt in der Gesellschaft vor drei Jahren hatte sie jeden Bewerber ab- gewiesen. Dies hatte ihn anscheinend zu der Annahme ver-
anlasst, dass sie eitel und kokett war und es vor allem genoss, von Männern mit Komplimenten überschüttet zu werden.
Er hatte sogar behauptet, dass sie gezähmt werden müsste. Welche Dreistigkeit! Seine Schlussfolgerungen hatte er sehr direkt ausgesprochen und in etwa zu verstehen gegeben, dass er ihre Keuschheit in Zweifel zog.
Ihr Vater hätte ihn hinausgeworfen, wenn ihm das Beneh- men des Russen zu Ohren gekommen wäre. Ihr Bruder Rafael hätte ihn an den Pranger gestellt. Und was Darius gemacht hätte, wollte sie sich lieber nicht ausmalen.
Doch sie war mit Anatol allein gewesen. Nur eine An- standsdame war einige Schritte entfernt hinter ihnen gegan- gen. Serafina hatte sich zusammengerissen und ihn nicht aufs Schärfste zurechtgewiesen, sondern sich darum bemüht, höf- lich zu bleiben. Schließlich brauchte ihr Land die Armee des Russen.
Tjurinows Hochmut zu ertragen war ein geringer Preis für den Schutz ihres Vaters. Woher sollte Anatol schon wissen, dass sie nur deshalb so viele Anwärter auf ihre Hand zurück- gewiesen hatte, weil sie ihr Herz an einen Spanier verloren hatte, der vielleicht eines Tages zur Besinnung kam?
Offenbar aber bin in Wirklichkeit ich es, die zur Besinnung kommen muss, überlegte sie betrübt.
Nun ruhelos geworden, erhob sie sich und versuchte, an et- was anderes zu denken. Sie war froh, dass sie sich nach dem schrecklichen Vorfall am Abend zuvor als so zäh erwiesen hatte. Vielleicht lag es an der Bergluft, dass sie so friedlich wie schon lange nicht mehr geschlafen hatte.
Serafina schaute sich im Zimmer um. Der Verputz an der Wand bröckelte, eine Spinne hatte ein gewaltiges Netz in eine Ecke gewebt, und alles war von einer Staubschicht überzo- gen. Die Dielen unter ihren Füßen knarrten laut, als sie zum Spiegel ging, um zu sehen, wie zerzaust ihr Haar ohne die üblichen hundert Bürstenstriche am Abend zuvor war.
Sie hielt inne und betrachtete den bereits verblichenen Teppich am Fußende des Bettes. Eine Darstellung ewigen Frühlings war darauf zu erkennen: Jünglinge und Jungfern tanzten um einen Maibaum, während die Blumen um sie herum blühten.
Serafina lockerte ihr Kostüm und war ganz in die Idylle zu ihren Füßen versunken, als auf einmal eine tiefe Stimme, die spanisch sprach, ihre Gedanken unterbrach.
Sie schaute mit großen Augen auf und schlich dann auf Ze-
henspitzen zum Fenster, wo sie sich neben den durchsichti- gen weißen Vorhang stellte und auf Darius hinabblickte. Auf einmal war ihr so schwindlig, dass sie sich an dem Gewebe festhalten musste.
Wie wunderschön er doch ist, dachte sie und seufzte leise.
Im Licht der
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