Gaelen Foley - Amantea - 02
weitläufiges Empfangszimmer, wo, wie überall im Haus, Tep- piche und Möbel standen, die bereits bessere Tage gesehen hatten. Doch für Serafina war diese heruntergekommene Villa eine willkommene Abwechslung zu dem makellosen weißen Marmor im Palast ihres Vaters.
Im Salon blickte sie aus dem Fenster und stellte erfreut fest, dass davor eine hübsche Terrasse lag. Durch die gewölb- ten Glasscheiben sah sie, dass der hintere Teil des Gartens zur Wildnis geworden war. In der Mitte der Anlage wuchsen alte Reben, unter denen ein grober Holztisch stand. Unge- duldig drängte sie Darius in das nächste Zimmer, damit er mit seinem Vortrag fortfahren konnte. Sie hörte kaum mehr zu.
Sie schaute sich gerade um, als sie Darius dabei ertappte, wie er sie ansah. Sogleich richtete er den Blick woanders- hin.
„Ich mag dieses Haus“, sagte sie ruhig. „Man fühlt sich hier sehr wohl, nicht wahr?“
„Ich nicht“, erwiderte er kühl und verließ das Zimmer.
Mit allmählich schwindender Geduld folgte sie ihm nach oben. Zu ihrer Überraschung stellte sich heraus, dass es sogar in ihrem Schlafzimmer ein Versteck gab. Unter dem Teppich mit der Schäferidylle befand sich eine Einlassung im Boden, die für eine Person groß genug war.
„Sobald ich es Ihnen sage, verbergen Sie sich hier. Ohne Widerrede. Verstanden?“
„Darius“, erwiderte sie gelangweilt. „Ich bin mir sicher, dass Orsini die Übeltäter vorher fassen wird.“
Santiago murmelte etwas Unverständliches, schloss die Holzklappe und legte den zurückgeschlagenen Teil des Tep- pichs wieder auf seinen Platz.
„Nun muss ich Ihnen noch etwas zeigen. Ich habe dieses Herrenhaus als Versteck gewählt, weil es über den königli- chen Geheimtunneln erbaut ist. Sollten wir angegriffen wer- den, verteidige ich Sie natürlich mit meinem Leben. Ebenso meine Männer ...“
Sie zuckte zusammen. „Sagen Sie so etwas nicht.“
„Aber wenn wir scheitern, werden Sie das Haus allein ver- lassen müssen. Ich werde Ihnen nun zeigen, was Sie in einem solchen Fall zu tun haben.“
Aber Serafina rührte sich nicht. Sie war bleich geworden.
Fragend schaute er sie an. „Habe ich Sie erschreckt?“
Wie konnte er nur über seinen eigenen Tod so sprechen, als würde ihn das überhaupt nichts angehen?
Ihr Erschrecken schien ihn zu amüsieren. „Kleine Zikade, machen Sie sich keine Sorgen“, sagte er und lächelte aufmun- ternd, wenn auch etwas spöttisch. „Es ist sehr unwahrschein- lich, dass man uns finden wird. Das Haus ist sehr abgelegen. Ich möchte nur auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein. Kommen Sie jetzt. Hier entlang.“
Serafina schlang die Arme um sich und folgte Darius. Sie stiegen ein paar Stufen hinab und traten dann auf die Ausfahrt, wo Unkraut zwischen den Pflastersteinen wuchs.
Darius schritt voran. Sie wandte sich zur Villa um und betrachtete das sonnenbeschienene, halb verfallene Gebäude.
Auf dem roten Dach fehlten einige Ziegel, und die hellgelbe Farbe der Wand blätterte an manchen Stellen ab. Doch es war ein solider Bau, der im eleganten Stil Palladios entwor- fen worden war. Vor dem Haus befand sich ein hübsch ange- legter Garten, der allerdings schon lange nicht mehr gepflegt worden war.
Serafina war begeistert. Ein bisschen liebevolle Zuwen- dung ist alles, was du brauchst. Da riss sie die Stimme ihres Beschützers aus den Gedanken.
„Serafina, trödeln Sie nicht herum.“
Ihre Geduld verließ sie fast. Wenn er sie mit ihrem Titel an- gesprochen hätte, hätte sie ihn sofort für seinen unverschäm- ten Tonfall zurechtgewiesen. Aber da er ihren Vornamen benutzt hatte, vergab sie ihm und eilte hinterher. Gemeinsam gingen sie zu dem Pfad, der durch den Wald des Anwesens führte.
Während sie nebeneinander herliefen, bemerkte Darius, wie seine Männer Serafina verstohlen betrachteten.
Es soll bloß keiner wagen, sich ihr auf unziemliche Weise zu nähern. Er warf den Soldaten einen drohenden Blick zu. Wie immer empfand er in Serafinas Anwesenheit eine seltsame Besitzgier.
Keiner von beiden sprach ein Wort, als sie den Waldweg
betraten, doch Darius war sich der Anmut, mit der sie neben ihm durch das Gehölz lief, äußerst bewusst. Er lauschte dem leisen Rascheln der Blätter und der Kiefernnadeln unter ih- ren Schuhen und warf gelegentlich einen raschen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand folgte.
„Hier entlang“, sagte er und berührte sie an der Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
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