Gaelen Foley - Amantea - 02
wobei man ihr den Weg freimachte.
Flehend schaute sie den Kronprinzen an, doch auch er schenkte ihr keine Beachtung. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, das erste Mal wahre Macht auszukosten.
„Hört auf!“ schrie sie schließlich, so laut sie nur konnte.
„Wir kämpfen für Euch, Principessa!“ rief ein junger Soldat in ihrer Nähe.
„Nein, das will ich nicht!“ Ihr wurde eiskalt, als die ande- ren seinen Schwur wiederholten. Endlich winkte ihr Bruder sie zu sich heran.
Sein vor Begeisterung strahlendes Gesicht erinnerte sie an das ihres Vaters.
Er wird umkommen. Er hat keine Ahnung von dem, was er tut. Er will einen Krieg beginnen.
Angsterfüllt trat sie zum Billardtisch.
Dort knieten sich zwei Soldaten der königlichen Wache hin, so dass sie ihre Schenkel als Stufen benutzen konnte. Rafael reichte ihr die Hand.
„Schick die Leute sofort weg. Siehst du denn nicht, dass du sie gegen Vater aufwiegelst?“
„Er hat nicht immer Recht“, erwiderte er zornig. Dann be- sann er sich und nahm voller Zuneigung ihre Hand. Er lä- chelte sie gönnerhaft an. „Schwester, das müssen wir Männer entscheiden. Du brauchst Tjurinow nicht zu heiraten, und wir werden uns an den Franzosen rächen, weil sie Darius umgebracht haben.“
Bei seinen Worten zuckte sie zusammen. „Rafael, das hast du nicht zu entscheiden. Noch ist Vater der König ...“
„Aber er hätte dich niemals verkaufen dürfen. Wir werden kämpfen!“ schrie er der Menge zu.
Die Männer johlten begeistert, und Serafinas Protest ging erneut unter.
„Aber ich habe zugestimmt.“
Es war sinnlos. Sie sprang vom Billardtisch herab und floh, wobei sie den Jubel und die Schmeicheleien, die ihr galten, ignorierte.
Sie war außer sich, als sie aus dem Palast in den Garten eilte. Draußen war es bereits dunkel. Es war mild, und es regnete leicht. Verzweifelt stand sie da und wartete, bis sie wieder ruhiger atmen konnte.
Ja. Das war die Lösung.
Sie begann zu rennen. Das Gras war feucht und glitschig, doch sie blieb nicht stehen, bis sie die Ställe erreicht hatte. Sie befahl den Knechten, ihr Pferd zu satteln, doch sie schienen ihre Absicht zu erahnen und reagierten nicht.
Als sie zu Diamantes Verschlag kam, trat ihr ein Stalljunge in den Weg. „Es ist zu spät, um auszureiten, Hoheit. Und das Wetter ist schlecht.“
Sie biss die Zähne zusammen. „Ich liebe den Regen. Geh aus dem Weg.“
„Principessa, solltet Ihr nicht einen Lakaien mitnehmen?“ fragte er unterwürfig.
„Hört auf, mich beschützen zu wollen. Ich habe genug da-
von!“ Empört schritt sie vorbei und ging zu Ventos Verschlag. Sie nahm die Zügel des Hengstes vom Haken und stellte fest, dass Vento so nervös wie sie war. Es bereitete ihr daher kaum Schwierigkeiten, ihm die Zügel anzulegen.
Beunruhigt folgten ihr die Stallknechte.
„Hoheit haben doch nicht vor, auf diesem wilden Pferd zu reiten?“
„Er ist gefährlich!“
„Ihr könnt mich nicht davon abhalten!“ fuhr sie die Burschen an.
Sie riss die Stalltür auf, warf Vento die Zügel über und schwang sich auf den Hengst. Dann lenkte sie das Pferd aus dem Verschlag.
„Geht mir aus dem Weg!“ befahl sie.
Die Burschen wichen zurück. Als sie den Stall verließ, wieherte Vento vor Erregung.
„Hoheit, wohin reitet Ihr?“ rief der älteste der Stallknechte ihr nach.
Sie erwiderte nichts, sondern galoppierte auf Darius’ Pferd in die Nacht hinaus und auf die Klippen zu.
Sie würde Darius nie mehr verlassen müssen.
Vento jagte durch die Dunkelheit. Ihr wurde durch die Geschwindigkeit und ihr Vorhaben schwindlig.
Schließlich stand sie am Rand des Riffs, der Nachtwind peitschte ihr den Regen ins Gesicht, und unter ihr schlugen die Wellen gegen die Felsen.
Wie oft hatte sie hier auf ihn gewartet! Stunden waren da- mit vergangen, nach einem Schiff am Horizont Ausschau zu halten, das ihn zu ihr zurückbringen würde.
Doch dieses Mal blieb er für immer fort.
Sie stieg vom Pferd und sank auf die Knie.
Wenn sie starb, würde kein Krieg um ihretwillen ausge- fochten werden, und sie könnte auf ewig mit Darius vereint sein.
Doch sollte sie sich das Leben nehmen, würde sein Opfer umsonst gewesen sein.
Darius war gestorben, um sie zu retten. Ihr Tod würde all das, wofür er gestanden hatte, zunichte machen. Er hatte sie verlassen und sie mit dem Fluch eines Lebens belegt, in dem sie niemals mehr Liebe oder Freude erfahren würde.
„Du herzloser Zigeuner“, flüsterte sie in den Wind.
Sie brach
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