Gaelen Foley - Amantea - 02
auf dem steinigen Boden zusammen und weinte, bis ihre Tränen versiegt waren.
Die drei Genueser Fischer fürchteten sich vor ihm. Darius warf ihnen immer wieder drohende Blicke zu, damit sie sich weniger um ihn und mehr um ihre Arbeit kümmerten. Die- ser Wahnsinnige, der ihr Boot an sich gebracht und sie dazu gezwungen hatte, ihn sofort nach Amantea zu bringen, hatte ihre Neugier geweckt.
Er war von dem Gefühl beherrscht, vor Scham vergehen zu müssen. Das Einzige, was ihm half, seine Angst zu unter- drücken, war das Wissen, Serafina bereits in wenigen Stunden wieder zu sehen.
Das Erlebnis in Mailand hatte ihn verändert. Sein überstei- gertes Ehrgefühl war verschwunden. Er war kein Ritter. Das konnte er nicht länger vorgeben. Nein, er war ein Mensch, den ein großer Überlebenswille beherrschte – so wie damals in den Straßen von Sevilla. Und er wusste, was er brauchte.
Es kümmerte ihn nicht mehr, ob es unrecht war.
Er wollte sie für sich. Niemand sonst durfte sie haben. Serafina gehörte ihm allein.
Das dachte er, obgleich er wusste, dass sein Plan miss- glückt war und er sie nicht verdiente. Auch hatte er keine Ahnung, was es bedeutete, eine Frau zu haben. Der Ge- danke erschreckte ihn, dass er so sein könnte wie sein Vater – herrschsüchtig und besitzergreifend. Doch rasch schob er die Vorstellung beiseite. Serafina war die Seine.
17. KAPITEL
Am Abend vor ihrer Hochzeit fühlte sich Serafina innerlich leer.
Jede Hoffnung war sinnlos geworden. Wenn Napoleon tot gewesen wäre, hätte die ganze Welt inzwischen davon erfah- ren. Wenn Darius noch lebte, hätte er ihr auf irgendeine Weise eine Nachricht zukommen lassen.
Morgen früh sollte sie Anatol heiraten. Nichts kam ihr wirk- lich vor. War Darius allein gestorben? Hatte er viel gelitten? Hatten seine letzten Gedanken ihr gegolten? Auf diese Fra- gen würde sie niemals eine Antwort erhalten. Es war schlim- mer, nicht zu wissen, was aus ihm geworden war, als die schreckliche Wahrheit endgültig zu erfahren.
Sie versuchte zu vergessen. Voller Verachtung beobach- tete sie sich selbst dabei, wie sie sich jeden Tag mehr ge- hen ließ und sich zuerst mit Wein und dann mit Laudanum benebelte.
Die Stallknechte hatten dem ranghöchsten Diener zugetra- gen, was sie getan hatte. Dieser hatte sich dazu verpflichtet gefühlt, das königliche Paar von ihrem gefährlichen Verhal- ten zu unterrichten. Sie hatten versucht, mit ihr zu sprechen. Doch der Anblick der beiden, die einander innig zugetan wa- ren, verursachte ihr Übelkeit. Während sie allein unter dem Verlust litt, waren Lazar und Allegra sich noch näher gekom- men. Auch ihr jüngstes Kind hatte sie noch enger miteinander verbunden.
Es war ein Junge, den sie Lorenzo nannten. Serafina emp- fand eine seltsame Kälte dem Knaben gegenüber. Warum hatte ihre Mutter gerade jetzt ein Kind geboren, das so of- fensichtlich das Resultat ihrer Liebe war? Es war skandalös. Schließlich war die Frau beinahe vierzig.
Zwei Jahrzehnte lang hatte ihre Mutter die Hingabe einer der zwei besten Männer der Welt genossen. Würde sie solch ein Glück erleben dürfen? Mit zwanzig fühlte sich Serafina verbittert und wies jeden Versuch ihrer Eltern, ihr näher zu
kommen, entschieden ab. Sie bemerkte, dass sie sich fast wie Darius verhielt, indem sie nur ausweichend Rede und Antwort stand.
Als Lazar und Allegra den Arzt beauftragt hatten, sie zu untersuchen, sagte ihr auch das nicht zu. Sie hätte ihm in drei Worten eine Diagnose mitteilen können. Darius ist tot. Auch sie war innerlich gestorben. Doch das Laudanum, das er ihr verschrieb, wirkte und milderte dadurch ihre Trauer ein wenig.
In den Träumen kehrte Darius zu ihr zurück. Sie fühlte seine feste Haut, hörte sein spöttisches Lachen und sah seine blitzenden Augen. Doch dann verschwand er wieder.
Es war grausam.
Im Moment lag sie auf ihrem Bett. Zwei Kerzen waren fast niedergebrannt und spendeten nur noch schwaches Licht.
Sie hatte nicht gedacht, dass sie so früh einschlafen würde. Als sie auf die Matratze gesunken war, hatte es gerade halb zehn geschlagen. Sie hatte noch eine Weile lesen wollen, doch es war ihr nicht möglich gewesen, sich zu konzentrie- ren. Außerdem fühlte sich ihr ganzer Körper bleischwer an. Das Laudanum ließ sie sehr müde werden, obgleich die Dosis nicht stark war. Wenn sie nun einschlief, konnte sie Darius vielleicht in ihren Träumen wieder empfangen.
Ihr letzter Gedanke galt der Hoffnung, dass sie ihr Leben in
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