Gaelen Foley - Amantea - 03
seinen Stolz vergessen und würdevoll dem Diener folgen.
Kühl betrachtete er den Mann. „Gut. Dann komme ich so- gleich der Einladung Seiner Majestät nach. Ich werde aber meine eigene Kutsche nehmen.“
Der Lakai schien sehr erleichtert. „Wie Königliche Hoheit wünschen.“ Dann entfernte er sich unter vielen Verbeugun- gen.
Rafael drehte sich zu seiner Geliebten um, hob ihre Hand und küsste sie galant. In Gedanken war er bereits ganz woanders. „Verzeih mir, meine Süße.“
„Natürlich, Liebling“, säuselte Chloe und sah ihm bedeu- tungsvoll in die Augen. „Solange ich dir morgen nur dein Geburtstagsgeschenk geben kann.“
Zornig über die Selbstherrlichkeit, mit der sein Vater ihn jederzeit zu sich rufen ließ, ging er allein aus dem Theater.
Auf dem Platz davor sah er, wie gerade die vergoldete Ka- rosse davonfuhr, die der König geschickt hatte. Vor den Stu- fen des Theaters stand der Landauer aus Mahagoni, der ihm vom besten Kutschenbauer der Stadt geliehen worden war, während die gebrochene Achse des kronprinzlichen Phaetons repariert wurde.
Der Platz vor dem Theater war voller Menschen. Verkäufer boten den Flaneuren Eis an. Seit die große Oper in Belfort restauriert wurde, versammelte sich die gute Gesellschaft im Theater dieser kleinen Küstenstadt, die ein paar Meilen vom königlichen Palast entfernt lag.
Rafael atmete die salzige, würzige Luft ein, blieb einen Moment stehen und ließ den Blick in die Ferne zu den Hü- geln schweifen. Seine Familie herrschte seit siebenhundert Jahren auf dieser italienischen Insel.
Im Licht des Mondes sah er die Hafenstadt, wie sie in Terrassen vom Meer aufstieg. Unten am Kai konnte er ein paar Laternen und Palmen erkennen. Am felsigen Strand bewegten sich die Oleanderbüsche im leichten Wind.
Viele der schmalen Häuser am Hafen waren von Jasmin um- rankt, dessen süßer Duft den Gestank der Fische, die tagsüber auf einem kleinen Markt verkauft wurden, erträglich machte.
Amantea, dachte Rafael mit einer Zärtlichkeit, als wäre ihm der Name einer Geliebten eingefallen. Diese Geliebte war noch schöner als die Halbinsel Capri – und sie war sein
geheiligtes Erbe. Für Amantea wollte er sein Leben im golde- nen Käfig ertragen. Er würde die Demütigungen durch seinen Vater überstehen, wenn er nur eines Tages dieses Juwel des Mittelmeers sein Eigen nennen durfte. Sein größter Wunsch war es, ein guter König zu sein.
Er wusste, man nahm allgemein an, dass es mit ihm als Herrscher eine Katastrophe geben könnte. Doch eines Tages würde er es ihnen allen zeigen.
Seufzend schritt er die Stufen zur Kutsche hinab. Nachdem er eingestiegen war, schloss ein Diener den Verschlag. Der Kronprinz klopfte an die Innenwand, und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Rasch fuhren sie durch die kleine Stadt auf die Landstraße, die in die Hauptstadt Belfort führte.
Auf einmal fiel Rafael ein, dass er der königlichen Leibwa- che nicht mitgeteilt hatte, dass er zum Palast fuhr. Ach, sie werden es schon merken und mir folgen. Er wollte die sechs kräftigen uniformierten Männer sowieso nicht um sich haben, da sie ihn ständig daran erinnerten, dass er ein Gefangener war.
Den Ellbogen am Fensterrahmen aufgestützt, sah er nach- denklich hinaus. Sein Königreich glitt, in silbernes Mond- licht getaucht, an ihm vorbei – so wie sein Leben an ihm vorbeiging.
Die Landstraße wirkte wie ein dunkelblaues Band in der sternenklaren Nacht. In angespanntem Schweigen beobach- teten sie den Fahrweg von ihrem Versteck im Wald aus. Vor kurzem war die goldene Karosse des Königs vorübergefah- ren. Nun nahte ein schmales Gefährt, das von vier braunen Pferden gezogen wurde.
„Sieht vielversprechend aus“, flüsterte Mateo, nachdem sein jüngster Bruder einen Eulenschrei ausgestoßen hatte, um sie darauf aufmerksam zu machen.
Der maskierte Reiter nickte und wies die anderen mit einer Kopfbewegung an, ihre Positionen einzunehmen.
Leise lenkten sie ihre Pferde durch das Gehölz auf ihre Position und warteten ...
Die Kutsche fuhr über eine Furche und schaukelte heftig. Verärgert runzelte Rafael die Stirn und wollte gerade dem Fahrer zurufen, in Zukunft mehr Acht zu geben, als er Schreie vernahm.
Ein Pferd wieherte, und die Kutsche verlangsamte ihre
Fahrt. Plötzlich peitschte ein Schuss durch die Stille der Nacht.
Überrascht blinzelte Rafael in die Dunkelheit hinaus. Ob- gleich er beunruhigt war, verspürte er doch auch eine geheime Freude ob der willkommenen
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