Gaelen Foley - Knight 01
wahrhaft beeindruckende Persönlichkeit, überlegte sie, ihn aus den Augenwinkeln beobachtend, während sie vor- gab, ihre Karten zu betrachten. Um ehrlich zu sein, fand sie ihn ein wenig einschüchternd. Er schien Mitte dreißig und wirkte weitläufig und athletisch. Sein kohlschwarzes Haar war zu- rückgekämmt, was sein strenges, regelmäßiges Gesicht beton- te.
Mit hoch erhobenem Kinn stand er da, die Schultern ge- strafft, und musterte die Menge mit herrisch reserviertem Blick. Sein Krawattentuch war makellos gestärkt, seine Abendkleidung streng schwarz und weiß – vermutlich sieht er die Welt in genau diesen Farben, überlegte sie verächtlich. Unwiderstehlich von ihm angezogen, spähte Bel zu ihm hi- nüber, gerade als er sie ansah. Er fing ihren Blick auf und er- widerte ihn frei und offen. Er schenkte ihr ein sprödes Lächeln. Einen Augenblick war sie wie hypnotisiert von seinen samt- braunen Augen. Sie schaute ihn an und hatte das Gefühl, als würde sie ihn schon ihr Leben lang kennen.
„Sie sind dran, Miss Hamilton.“
„Natürlich.“ Sie wandte sich ihrem Gegner zu und lächelte ihn reizend an, während ihr Herz wie verrückt schlug. Arro- ganter Kerl, dachte sie, immer noch ganz auf den Fremden konzentriert. Wie konnte er es wagen, sie so anzustarren? Ihr war völlig egal, wie attraktiv er war, sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. Schließlich war er Dolphs Freund. Das wusste sie, weil sie ihn kurz mit Dolph hatte reden sehen, nachdem sich dieser ihr gegenüber so ekelhaft betragen hatte.
Außerdem konnte ein so gut aussehender Mann unmöglich noch Junggeselle sein. So gut meinte es das Leben nicht.
„Eine Karte, bitte“, sagte sie.
Sie spielte die Runde zu Ende, und bald lachte sie fröhlich, als sie im Besitz einer schönen neuen Krawattennadel war. Der junge Stutzer nahm seine Niederlage mit einem Grinsen hin, wusste er doch, dass er die Nadel morgen im Pfandleihhaus zu- rückkaufen könnte, wenn er wollte.
Als Bel ihm die Hand gab, beugte er sich darüber, drückte ei- nen galanten Kuss darauf und zog sich mit einem Bückling zu- rück. Plötzlich, bevor sie Einwände erheben konnte, glitt der dunkle Fremde auf den frei werdenden Stuhl, legte die Hände auf den Tisch und starrte sie herausfordernd an.
Sie stützte das Kinn auf die Hand und schenkte ihm ein he- rablassendes Lächeln. „Sie schon wieder.“
„Was spielen Sie, Miss Hamilton?“ erkundigte er sich freundlich.
„Vingt-et-un.“
„Anscheinend spielen Sie um einen Kuss.“
„Nur wenn Sie gewinnen – und das werden Sie nicht. “
Ein Lächeln umspielte seinen reizvollen Mund. Er streifte ei- nen schweren goldenen Ring vom kleinen Finger und legte ihn vor sie hin. „Wie wäre es damit?“
Sie richtete sich auf, nahm den Ring und untersuchte ihn skeptisch. Auf dem Ring prangte ein ovaler Onyx, der mit ei- nem goldenen H verziert war.
Sie warf ihm einen neugierigen Blick zu, fragte sich, wer er war und wofür wohl das H stand, doch sie wollte seiner Eitel- keit nicht schmeicheln, indem sie sich direkt danach erkundig- te. Ein Freund von Dolph konnte nicht ihr Freund sein.
„Ein hübsches Schmuckstück. Leider habe ich solche Sa- chen bereits dutzendweise.“ Sie gab ihm den Ring zurück. „Ich möchte nicht mit Ihnen spielen.“
„Himmel, sehe ich etwa wie ein Falschspieler aus?“ fragte er mit seinem kühlen, kultivierten Bariton.
„Mir gefällt die Gesellschaft nicht, in der Sie sich bewegen.“ „Vielleicht urteilen Sie da etwas vorschnell – und vielleicht ist es nur eine Ausrede“, meinte er mit einem spöttischen Lä- cheln. „Vielleicht möchte sich die unbezwingbare Miss Hamil- ton nur herauswinden?“
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, während die Männer ringsum lachten.
„Also gut“, gab sie in strengem Ton nach. „Zwei von drei Spielen. Bilderkarten zählen zehn, Asse eins oder elf, je nach
Wahl. Das werden Sie noch bereuen.“
„Bestimmt nicht.“ Er legte den Ring wieder vor sie hin, setz- te sich gelassen zurück, legte den Arm über die Stuhllehne und stützte den linken Knöchel auf das rechte Knie. Er nickte zum Kartenspiel hinüber, das auf dem Tisch lag. „Geben Sie, Miss Hamilton.“
„Wollen Sie mich herumkommandieren?“
„Nun, was Ihnen recht ist, soll mir billig sein, meine Liebe.“ Sie begegnete seinem spöttischen Blick und erkannte, dass er auf ihren Befehl von vorhin anspielte, er solle Dolph die Mün- ze zurückgeben. Sie zog amüsiert die Braue
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