Gaelen Foley - Knight 01
Belindas Blick aus; sein markantes Gesicht blieb angespannt. Eine ganze Weile schwieg er. „Es war ein Selbstporträt. Sie war ziemlich begabt.“
Bel setzte sich auf den Schreibtisch und musterte ihn. „Wuss- te sie, dass Sie in sie verliebt waren?“
„Ich weiß nicht.“
„Haben Sie sich ihr je erklärt?“
„Natürlich nicht.“
„Wie traurig.“
Er zuckte mit den Schultern, wobei er ein wenig schuldbe- wusst wirkte, weil er sich das Bildnis einer verheirateten Dame hatte schenken lassen. Wenn Lucy ein so keusches und heiliges Wesen gewesen ist – wieso hat sie dann einem Mann, der mit ihr weder verheiratet noch verwandt war, ihr Bild geschenkt, frag- te sich Bel. Das gehörte sich doch nicht. Hatte es vieheicht der Eitelkeit der jungen Gräfin geschmeichelt, zu wissen, dass Hawkscliffe in sie verliebt war? Hatte sie mit ihm gespielt, hat- te sie versucht, ihn dazu zu bringen, die Grenzen zu überschrei- ten, die sein Ehrgefühl ihm setzte? „Was hatte sie an sich, das Sie so faszinierte?“ erkundigte sie sich leise, wobei sie sein an- gespanntes Gesicht nicht aus den Augen ließ.
Er hielt das Silberkästchen fest und schaute sie nicht an. „Ih- re Einfachheit. Ihre Sanftheit. Ach, eigentlich weiß ich es nicht.
Es war ein Traum, wissen Sie. Ich habe sie in meiner Vorstellung geliebt. Ich lebe viel zu sehr in meiner inneren Welt, das ist mein Problem. In Wirklichkeit ... nun, es ist nichts passiert. Gar nichts.“
„Bedauern Sie das jetzt?“
„Was hätte es mir schon genützt, wenn ich sie umworben hät- te? Uns beiden hätte es nur Schande gebracht – und einem alten Freund Schmerzen.“
Am liebsten hätte sie ihn gefragt, ob er sich denn immer an die Regeln halte, aber sie erkannte, dass ihre Verteidigungsstrategie gewirkt hatte. Er dachte nicht mehr daran, sich ihr auf amourö- se Weise zu nähern, und gab sich stattdessen seinen Erinnerun- gen an Lady Coldfell hin.
Die Trauer, die sich nun in seinen gefühlvollen Augen wider- spiegelte, erfüllte sie mit solcher Reue, dass sie die Hand aus- streckte und ihm tröstend über sein rabenschwarzes Haar strei- chelte.
Er ließ die Berührung zu, sah sie aber nicht an.
Sie seufzte sehnsüchtig. „Höfische Liebe. Ich finde das schön, Robert, selbst wenn es nur ein Traum gewesen ist.“
„Ein Traum ist besser als gar nichts.“ Er stellte das Silber- kästchen vor sich auf den Tisch und starrte es an.
„Ich frage mich bloß, warum Sie nicht von einer Frau ge- träumt haben, die für Sie erreichbar war.“
Ein bitteres Lächeln spielte um seinen Mund, aber er schaute nicht auf. „Vielleicht wollte ich keine Frau, die für mich erreich- bar war.“
„Warum nicht?“
„Weil ich es eben nicht wollte“, erwiderte er schroff und warf ihr einen scharfen Blick zu, der eine deutliche Warnung enthielt. Sie zog die Hand zurück; es war besser aufzuhören, solange sie noch die Oberhand hatte. Er senkte den Blick, schloss sie aus wie mit einem eisernen Fallgitter, doch sie hatte den bedürftigen Mann gesehen, der sich hinter der Fassade des makellosen Her- zogs verbarg.
Sie rutschte vom Schreibtisch herunter. „Dann sage ich Ihnen jetzt Gute Nacht, Sir.“
Automatisch erhob er sich und vollführte eine exakte Verbeu- gung, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Seine Haltung war wieder steif und unnahbar. Sie nickte ihm leicht zu und wandte sich zum Gehen.
„Überlegen Sie sich, welche Kutsche Sie sich wünschen“, meinte er herrisch, als sie zur Tür ging. „Ich nehme Sie morgen zu Tattersall’s mit.“
Überrascht drehte sie sich um. Das Kerzenlicht flackerte über sein kantiges Gesicht und seine kraftvolle Gestalt.
Einen Moment starrte sie ihn einfach nur an.
Langsam dämmerte ihr die tiefe Erkenntnis, dass sie hier bei ihm in Sicherheit war. Sie wusste es. Sie konnte es spüren. Selbst wenn er ein wenig mit ihr geflirtet hatte, hatte er nicht die Absicht, sein Wort zu brechen und ihr Avancen zu machen. Auf diese erstaunliche Entdeckung folgte eine Wehe der Er- leichterung – und dann der Reue. Der Mann hatte ihr von An- fang an nichts Böses gewollt, und sie hatte ihn manipuliert, hat- te ihn dazu gebracht, schmerzhafte Erinnerungen erneut zu durchleben, nur um ihn auf Abstand zu halten.
„Es tut mir Leid, dass ich Lady Coldfell erwähnt habe“, rang sie sich ab, aber sie konnte nicht zugeben, dass es ein Trick ge- wesen war. Sie wollte nicht, dass er sie auch noch für einen Feig- ling hielt.
„Ach, schon gut“,
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