Gaelen Foley - Knight 02
unterbreitete, kurz durch den Kopf ge- hen. Sie würde den Verlust ihrer Jungfräulichkeit nicht er- klären und keine Vorwürfe deswegen hören müssen. Er war ein strahlender Held mit makellosem Ruf, ein Mann, der für seinen Mut und seine Integrität bekannt war. Als seine Frau wäre sie eine Countess, ein geachtetes Mitglied der Gesell-
schaft – und was ihr am wichtigsten war, Gattin und Mutter. Langsam legte Alice ihm die Hand auf den Arm und schaute ihm sehnsüchtig in die tiefgrauen Augen.
„Was für ein guter, rechtschaffener Mann Sie doch sind. Ich danke Ihnen von Herzen, aber auch wenn mich Ihre Großzügigkeit ganz sprachlos macht, kann ich Ihren Antrag nicht annehmen.“
Erstaunt zog er eine Braue hoch. „Warum denn nicht?“
„Ich liebe Ihren Bruder“, gestand sie schlicht.
Er runzelte die Stirn. „Miss Montague, seien Sie nicht dumm. Es werden andauernd Ehen geschlossen, in denen die Liebe keine Rolle spielt. Sie sind ruiniert, und ich brauche ohnehin eine Frau. Ich biete Ihnen die Rettung. Sie sollten sie annehmen.“
„Es würde ihn zu sehr schmerzen.“
„Na und?“ fragte er. Seine Miene verfinsterte sich – nun sah er Lucien noch ähnlicher. „Wie können Sie noch zärtli- che Gefühle für einen Mann hegen, der Sie ohne Bedenken erst verführt und dann sitzen gelassen hat?“
„Ich liebe ihn“, verkündete sie entschieden. „Er hat mich zwar verletzt, das schon, aber ich möchte ihn nicht bestrafen oder mich an ihm rächen. Was zwischen uns passiert ist, war schließlich nicht ganz allein seine Schuld. Er hat mich um- worben, aber es war schließlich ich, die sich ihm hingegeben hat. Ich selbst war so dumm, ihm mein Herz zu schenken.“
„Und jetzt hat er es gebrochen“, sagte er hart und muster- te sie.
Sie senkte den Kopf. „Ich möchte mich bei Ihnen entschul- digen, weil ich gestern so unhöflich zu Ihnen war. Ich habe befürchtet, Ihre Absichten könnten nicht ehrenhaft sein.“
„Verständlich. Machen Sie sich keine Gedanken. Im Ge- gensatz zu meinem Bruder habe ich ein sehr dickes Fell – und einen Dickkopf, wie er hinzufügen würde.“ Er lächelte sie reuig an und gab ihr seine Karte. „Mir ist klar, dass Sie eine schwere Zeit durchmachen. Wenn Sie es sich während der nächsten Tage noch überlegen, können Sie mich im Knight House am Green Park erreichen. Mein Angebot steht.“ Er verbeugte sich knapp, ging zu seinem Pferd und setzte den Tschako auf. Nachdem er sich in den Sattel ge- schwungen hatte, winkte er ihr noch einmal kurz zu und trabte dann davon.
Alice blickte ihm nach und hoffte, dass sie keinen Riesen- fehler begangen hatte.
„Ihr Idioten!“
Luciens Gebrüll schallte durch die Büros in der Bow Street. Jetzt bin ich ganz offiziell am Ende meiner Weisheit angelangt, dachte er. Er wandte sich von dem Grüppchen verwirrter französischer Einwanderer und Touristen ab, die in der Arrestzelle saßen, und starrte die Bow Street Runners, die sie eingesperrt hatten, voll Zorn an. Selbst der hochnäsi- ge französische Küchenchef des Duke of Devonshire war verhaftet worden. Marc und die anderen standen betreten daneben, während Lucien seinem Zorn auf die Bow Street Runners Luft machte.
„Wie oft müssen wir es denn noch durchgehen? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Bardou extrem groß ist, größer noch als ich, und blond – und nun sehen Sie sich diese Männer mal an! Haben Sie mir nichts Besseres zu bieten? Haben Sie sich die Zeichnung, die ich Ihnen gegeben habe, überhaupt ange- schaut?“
„Ja, das haben wir. Meine Runners geben ihr Bestes, aber es ist nun mal so, dass Sie der Einzige sind, der diesen Mann je zu Gesicht bekommen hat“, protestierte der Captain, wäh- rend die Runners herumstanden und ihn mürrisch betrach- teten.
„Dann ist ihr Bestes eben nicht gut genug“, fuhr Lucien ihn an. „Es stehen Menschenleben auf dem Spiel, wenn die- ser Mann nicht gefasst wird. Verdammt noch mal! Lassen Sie sie frei.“
Nachdem die verstörten Franzosen fortgeschickt waren, schob Lucien die Runners beiseite und stürmte hinaus, seine jungen Assistenten in keilförmiger Formation hinterdrein. Draußen ging er rastlos auf dem Gehsteig auf und ab und zerbrach sich den Kopf, doch ihm kam keine rettende Idee. Der Tag war gekommen, es war drei Uhr nachmittags, er musste alles daransetzen, um Claude Bardous Plan zu verei- teln, und doch konnte er im Moment nur darüber nachgrü- beln, was Alice Damien wohl geantwortet hatte.
Verdammt, wenn
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