Gaelen Foley - Knight 02
schlug wie wild. Wie furchtbar einfach es doch war, sich die beiden miteinander vorzustellen – den Kriegs- helden und Miss Tugendsam! Was für ein Traumpaar! Da-
mien wollte Erben, Alice sehnte sich nach einer Schar Kin- der, die sie verwöhnen konnte. Es sah seinem ehrpusseligen Bruder gleich, sich dieser Sache anzunehmen.
Lucien fuhr sich mit der Hand durchs Haar, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er verabscheute sich. Noch nie hatte er sich als ein solcher Versager gefühlt. Alice mochte den Antrag von diesem Bürschchen abgelehnt haben, aber wie könnte sie den großartigen Damien Knight zurück- weisen, bald auch noch Earl of Winterley? Er konnte sich ge- nauso gut gleich damit abfinden. Mit Damien wäre sie ohne- hin besser dran. Damien könnte aus ihr eine Countess ma- chen. Lucien konnte das nicht. Damien wurde allseits be- wundert, respektiert. Sie würde sich seiner niemals schämen und ihn nie bitten müssen, die gefährlichen Spielchen zu un- terlassen. Wenn Claude Bardou ihn am Ende tötete, könnte er wenigstens in Frieden ruhen, weil er ja wusste, dass Da- mien sich um Alice kümmerte. Es ist das Beste, redete er sich ein, während in ihm Verzweiflung aufstieg. Was sie an ihm geliebt hatte, würde sie in Damien auch finden. Damien war schließlich genau wie er.
Ohne seine Fehler.
Alice war schon vor geraumer Zeit zu Hause angekommen und zu Bett gegangen, doch sie konnte nicht schlafen, weil sie sich solche Sorgen um Lucien machte. Sie betete fieber- haft darum, dass Gott ihn beschützen möge. Gerade als sie endlich einschlummern wollte, wurde sie durch Caro und von Dannecker aufgeschreckt, die an ihrem Zimmer vorbei- gingen.
„Was ist denn los, Liebling?“ hörte sie Caro murmeln. „Du siehst so grimmig aus.“
Die Antwort bekam sie nicht mehr mit, weil die beiden in Caros Zimmer verschwunden waren, doch kurz darauf ver- nahm sie durch die Wand Gelächter, Liebesgemurmel und dann Stöhnen.
Verärgert zog Alice sich das Kissen über den Kopf, um die Geräusche auszublenden, doch das Paar wurde immer lau- ter, ihr Gestöhne fieberhafter, bis Alices Erinnerungen uner- träglich wurden, weil sie sich so nach dem einzigen Mann verzehrte, den sie je begehrt hatte: ihren Verführer, den has- senswerten Schuft, den sie doch so hebte. Die Sehnsucht tat
so weh, dass Alice aus dem Bett sprang und ins Kinderzim- mer schlich, um nach Harry zu schauen.
Er schlief tief und fest, als sie leise in den Raum trat. Er wirkte so friedlich, wie er dalag und schlief, dass ihr die Trä- nen kamen.
Lämmchen, du bist das Einzige, was mir noch bleibt.
Die Dielen knarrten, als sie das Gewicht verlagerte. Am liebsten hätte sie ihn aufgeweckt, damit sie nicht so allein war. Sie unterdrückte den Drang, sein weiches Haar zu tät- scheln, und nahm stattdessen seinen Stoffhund in die Hand. Sie drückte ihn an sich, während sie im Mondlicht dastand und ihr die Tränen übers Gesicht strömten. Sie senkte den Kopf und hielt den Hund noch fester, bemühte sich, lautlos zu weinen, während doch jede Faser ihres Herzens nach Lu- cien schrie.
15. KAPITEL
Am nächsten Morgen saß Alice im Hyde Park auf einer Bank, gut verpackt in Pelisse, Schal und Handschuhe, und zeichne- te die kahlen Bäume. Sie hatte Lucien zwar versprochen, dass sie am Guy-Fawkes-Abend nicht ausgehen würde, aber von tagsüber hatte sie nichts gesagt. Kurz nach Morgengrau- en war sie von Baron von Danneckers lautem Getrampel aufgeweckt worden, als er Caros Schlafzimmer verlassen hatte. Vermutlich sollte sie froh sein, dass er nicht zum Früh- stück geblieben war.
Sie hatte Kopfschmerzen, nachdem sie sich letzte Nacht in den Schlaf geweint hatte, und sah sich nun irritiert zu den Arbeitern um, die mit lautem Getöse den Hammer schwan- gen und letzte Hand an das Podium legten, auf dem abends irgendwelche Würdenträger Reden halten würden, bevor dann das Feuerwerk in die Luft stieg. Alice hatte sich für den Guy-Fawkes-Abend nie sonderlich begeistern können – es handelte sich um ein lautes, chaotisches, ziemlich derbes Fest, bei dem sie die gefährliche Mischung aus torkelnden Trunkenbolden und lodernden Freudenfeuern meist nur in Angst und Schrecken versetzte.
Sie blinzelte in einen Sonnenstrahl und fuhr mit dem Zeichnen fort. Am Himmel türmten sich graue Wolkengebil- de mit hellen silbernen Rändern, durch die hier und da die Sonne in fächerartigen Strahlen durchbrach. Die Herbst- blätter waren längst davongeweht, so
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