Gaelen Foley - Knight 03
verlassen. Das war alles, woran sie denken konnte.
Damien kam zögernd heran.
„Miranda, sei stark.“
„Warum?“ rief sie. „Wieso muss ich stark sein, wenn mich mein Mann verlassen möchte, mit dem ich noch nicht mal zwei Monate verheiratet bin?“
„Ich verlasse dich doch nicht“, flüsterte er hilflos.
„Dann bleib.“ Auf Knien wandte sie sich zu ihm um. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. „Versprich mir, dass du bleibst, was auch geschieht. So hieß es doch im Ehever- sprechen, oder? Du bist endlich am Genesen, Damien. Schau dir das Leben an, das wir uns hier aufbauen. Was wird aus deinen Pferden? Unseren Kindern? Unserer Fami- lie? Bedeutet dir das alles denn gar nichts?“
Er schluckte hart. „Miranda, meine Männer sind im Feld ohne mich verloren. Sie werden für Englands Sicherheit und um ihr eigenes Leben kämpfen. Ich kann sie nicht im Stich lassen.“
„Und was ist mit mir? Mich lässt du im Stich!“
„Du bist stark“, entgegnete er. „Du musst stark sein, wie es nur meine Miranda kann.“
Sie hielt sich an dieser inneren Stärke fest und verwan- delte sie in Zorn. „Wenn du jetzt gehst, bin ich nicht länger ,deine’ Miranda.“
Er wurde bleich. „Was meinst du damit?“
„Wenn du mich wegen deines elenden Kriegs im Stich lässt, werde ich dir das nie verzeihen. Nie.“
„Was soll das heißen?“ fragte er. In seiner Stimme lag ein warnender Unterton. „Ich werde nie in eine Scheidung einwilligen.“
„Das wird kaum nötig sein. Vermutlich werde ich binnen Jahresfrist ohnehin Witwe sein.“ Sie schob ihn beiseite und stürmte auf zittrigen Beinen zurück zum Haus.
Sie kehrten nach London zurück. Während der vierstündi- gen Kutschfahrt und der ganzen restlichen Woche sprach Miranda kein Wort mit ihm. Nach vier Tagen Schweigen brüllte Damien sie an, endlich damit aufzuhören, doch ih- re einzige Antwort bestand in einem eisigen Blick. Darauf- hin stürmte er türenschlagend aus dem Haus und begann sie ebenfalls mit schweigender Verachtung zu strafen. Nachts sperrte sie die Verbindungstür zwischen ihren Schlafzimmern zu, aber er machte ohnehin keine Anstal- ten, zu ihr zu gehen. Napoleon hatte ihren ersten Ehestreit ausgelöst, einen riesigen Streit, in dem jeder absolut über- zeugt war, im Recht zu sein.
Am Donnerstag, dem sechzehnten März, erhielt er eine Eilbotschaft vom Kriegsministerium, dass seine Dienste dringend benötigt würden. Am dritten April sollte er sich in Brüssel einfinden. Da er gewusst hatte, dass dieser Be- fehl kommen würde, hatte er bereits seine Männer benach- richtigt, die sich in alle vier Himmelsrichtungen zerstreut hatten. Er hatte auch begonnen, Material und Vorräte zu ordern, zum Beispiel Zelte und Feldküchen.
„Untersteh dich, auch nur einen Penny aus meinem Erbe auf die Ausstattung deines Regiments zu verwenden“, hat- te sie ihn bitter gewarnt.
„Das Geld gehört dir nicht mehr, Frau, und ich werde es genau so ausgeben, wie ich es für richtig halte“, hatte er ebenso bitter erwidert, bevor er das Haus verließ, um sich im Guards’ Club mit seinen Captains zu treffen.
Sie saß im Salon, der auf die Straße hinausging, und lauschte der Stille im Haus. Das leise Geräusch einer vor- beifahrenden Kutsche hallte in dem neu möblierten Salon ohrenbetäubend wider. Würde es so sein, wenn er weg ist, fragte sie sich. Die Stille würde sie in den Wahnsinn trei- ben. Da sie es jetzt schon nicht mehr ertrug, legte sie Hut und Handschuhe an, hängte sich den Schal um und ging spazieren, wobei sie bei jedem Schritt ihren düsteren Ge- danken nachhing. Auch wenn sie mit Damien im Moment nicht sprach, beherrschte er doch ihr ganzes Sinnen und Trachten. Wie sollte sie es nur überleben, wenn er sie ver- ließ?
Nehme ich mir eben Liebhaber, dachte sie trotzig. Über- haupt würde sie sich in seiner Abwesenheit so vergnügen,
dass seine Mutter, die Hawkscliffe-Hure, neben ihr wie ei- ne Nonne wirken würde. Geschähe ihm recht ...
Doch die widerborstigen Gedanken vergingen ihr bald, und während sie mit der Hand gedankenlos an den schmie- deeisernen Zäunen entlangstrich, welche die Grundstücke der eleganten Stadthäuser der Gegend vom Gehweg ab- trennten, ließ sie voll Elend die Schultern hängen. Sie wollte ja gar keinen anderen! Sie würde nie einen anderen wollen, sie wollte nur diesen grausamen Barbaren. Warum liebte er sie nicht so sehr, dass er bei ihr blieb? Lucien zieht ja auch nicht in den Krieg, dachte sie mürrisch.
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