Gaelen Foley - Knight 03
Kopf. „Ich verstehe nicht. Hat er Sie zu mir geschickt, um mal nach dem Rechten zu schauen? Bekomme ich ihn auch bald mal zu Gesicht?“
„Nein, meine Liebe“, antwortete er sehr leise und sanft. „Ich fürchte, ich bringe Ihnen eine sehr schlechte Nach- richt.“
Sie starrte ihn an. Innerlich wurde ihr ganz kalt vor Angst. In seiner Stimme lag ein düsterer Ton, ein Ton, bei dem sie eine Gänsehaut bekam und der Erinnerungen he- raufbeschwor, wie sie in der düsteren Kapelle von Papas Landsitz saß, vor sich zwei Särge, einen weißen und einen etwas größeren aus Mahagoni. Onkel Jason hatte beschüt- zend neben ihr gesessen und ihre Hand gehalten, während lauter Unbekannte an ihr vorbeizogen, bleiche, steife Män- ner und Ladys mit schwarzen Schleiern, die sie mit Tränen in den Augen ansahen und murmelten: „Armes kleines Ding“, während Onkel Jason ihnen für ihr Kommen dank- te.
Sie starrte Lord Winterley an. „Was ist es?“ erkundigte sie sich heiser.
„Miranda“, flüsterte er mitfühlend, straffte dann die Schultern und riss sich zusammen. „Es ist meine traurige Pflicht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass Major Jason Sherbrooke letzten Mittwoch, am Abend des zwölften De- zember, getötet wurde, im Rahmen eines Einbruchs in sei- ner Londoner Wohnung. Er wurde ins Herz geschossen.“ Er sprach langsam und bewusst förmlich.
Miranda hörte das schon kaum mehr, so laut dröhnte ihr der Puls in den Ohren. Selbst sein kultivierter Bariton
klang gedämpft. Der Raum begann sich um sie zu drehen.
„Was ich Mr. Reed erzählt habe, ist die Wahrheit. Jason hat mich in seinem Testament zu Ihrem Vormund ernannt. Es tut mir so furchtbar Leid.“
Einen Moment lang herrschte absolutes Schweigen.
Ihr war ganz schwindelig. Blind schaute sie ihn an, bis ihr schwarze Ringe vor den Augen tanzten. Sie krallte sich in den Armlehnen fest.
„Miranda?“ Zögernd kam er näher, ging neben dem Ses- sel in die Hocke und musterte sie besorgt. „Alles in Ord- nung? Soll ich die Direktorin rufen, damit sie sich ein Weil- chen zu Ihnen setzt?“
Sie antwortete nicht, sie konnte nicht.
„Meine Liebe, Sie sind so bleich.“ Er streckte die Hand nach ihr aus, um sie zu beruhigen. „Ich könnte Riechsalz besorgen ...“
„Fassen Sie mich nicht an!“ zischte sie und zuckte vor ihm zurück. Voll Abscheu und am ganzen Körper zitternd sah sie ihn an. „Das ist ... nicht wahr. Das ist der grausams- te, gemeinste Trick, der mir je untergekommen ist!“
Verblüfft legte er den Kopf in den Nacken, als sie plötz- lich aufsprang.
„Sie sind ein Betrüger!“ stieß sie hervor, während ihr die Tränen in die Augen stiegen. „Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Onkel Jason ist nicht tot! Er hat doch nicht sechs Jahre Krieg überlebt, nur um in seiner eigenen Woh- nung von einem Einbrecher erschossen zu werden! Gegen so einen blöden Einbrecher hätte er sich doch wehren kön- nen!“
„Er war betrunken“, entgegnete er.
„Das ist gelogen! Er kommt mich holen! Jawohl! Warum geben Sie nicht zu, was Sie wirklich wollen, Sie ekelhaftes Monster? Meine Antwort ist immer noch dieselbe!“
Er stand auf, das Gesicht ganz angespannt vor Selbst- kontrolle, als ob er ihre Beleidigungen überhören und Mit- leid üben wollte. „Jason war mein Freund. Einer der weni- gen, die mir geblieben waren. In so einer Sache würde ich niemals lügen. Ich will Ihnen nicht nachstellen. Dass wir uns gestern Abend kennen gelernt haben, war reiner Zu- fall. So etwas wird es zwischen uns nicht mehr geben. Sie sind mein Mündel. Wenn Sie mir gestern Abend nur Ihren
Namen genannt hätten, hätte ich Sie niemals angerührt.“
„Ich habe es Ihnen nicht gesagt, aber gefunden haben Sie mich doch!“
„Ich habe nicht nach Ihnen gesucht“, erklärte er müde. „Ich war viel zu beschäftigt, mir die Kugel aus dem Arm holen zu lassen.“ Er griff in die Westentasche und reichte ihr den Brief des Anwalts. „Hier, wenn Sie mir nicht glau- ben.“
„Was ist das?“
„Lesen Sie.“
Ihre Hände zitterten so, dass sie den Brief kaum ausei- nander falten konnte, und ihr Verstand war so in Aufruhr, dass sie kaum verstand, was sie da las. Dennoch gelang es ihr, sich lang genug zu konzentrieren, um zu erkennen, dass es sich um eine Kopie des Testaments ihres Onkels und eine Erklärung seines Anwalts handelte.
„Hat nichts zu bedeuten“, sagte sie und gab ihm die Pa- piere zurück. „Es könnte auch eine Fälschung sein.“
Erstaunt
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