Gaelen Foley - Knight 03
wortlos in die Arme.
Erst verkrampfte er sich unsicher, doch dann ergab er sich in ihre Umarmung und erwiderte sie. Sie schloss die Augen. Ein paar Minuten klammerten sie sich aneinander wie zwei Schiffbrüchige auf einem fremden Eiland, die einzigen Überlebenden einer Katastrophe. Beinahe konnte sie den Zorn spüren, der in ihm pulsierte, denn er bebte am ganzen Körper, um ihn im Zaum zu halten. Voll Kummer drückte sie seinen Kopf an ihre Brust und strich ihm beru- higend über das seidige schwarze Haar, verdrängte dabei auch das Wissen, dass der Mann, den sie jetzt in den Armen hielt, sich im Handumdrehen in eine Tötungsmaschine verwandeln konnte. Er war auch der Mann, der ihr das Le- ben gerettet hatte.
„Damien Knight, ich weiß, dass er große Stücke auf Sie gehalten hat“, flüsterte sie.
Plötzlich entzog er sich ihr und starrte sie bestürzt an, als hätte ihn seine Reaktion auf ihren Trost verwirrt. Ihre Ge- sichter waren ganz nah beieinander, so dass sie die Furcht in seinem Blick wahrnehmen konnte. Ohne weiter nachzu- denken, berührte sie sanft seine Wange, um seinen Schmerz zu lindern.
Voll Sehnsucht schaute er auf ihre Lippen, und plötzlich loderte wieder die Begierde zwischen ihnen, die sie am Abend zuvor geschmeckt hatten, lebendig, knisternd, elek- trisierend. Abrupt fuhr sie zurück, und er sah erschrocken auf, als hätte ihn ihre Bewegung aus seiner Trance ge- weckt. Rau murmelte er eine Entschuldigung und stand auf. Sein verletzlicher Gesichtsausdruck verschwand. Da- mien wandte sich ab und begann ruhelos durch den Raum zu gehen. Miranda beobachtete ihn mit klopfendem Her- zen.
Nach einem Augenblick räusperte er sich. „Ich schlage vor, dass wir letzte Nacht einfach vergessen.“
„Wie könnten wir?“ hauchte sie.
Vielleicht hatte er ihre Frage nicht gehört, denn er igno- rierte sie. „Ich nehme Sie nach London mit, wo wir Weih- nachten bei meiner Familie verbringen. Eine meiner Ver- wandten kann Ihnen als Anstandsdame dienen. Es wird Ih- nen an nichts fehlen. Ich weiß, das alles kommt wie ein Schock, aber vor Ihnen liegt ein völlig neues Leben. Versu- chen Sie daran zu denken. Sie werden all die Dinge be- kommen, die jungen Damen am Herzen liegen – Ballklei- der und Verehrer und was weiß ich. Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag wird es jede Menge festliche An- lässe geben, Gesellschaften, Konzerte, Bälle. Um diese Jahreszeit halten sich in London zwar immer relativ weni- ge Leute auf, aber ich bin zuversichtlich, dass wir bald ei- nen passenden Ehemann für Sie finden.“
„Einen Ehemann?“ wiederholte sie erstaunt.
„Natürlich.“ Mit erhobenem Haupt drehte er sich um. Seine Miene war wachsam und hochmütig. „Das schwebte Jason für Sie vor. Und alt genug sind Sie ja. Ich habe Ihrem Onkel versprochen, Sie ehrbar unter die Haube zu bringen, und genau das werde ich auch tun. Wenn Sie sich jetzt wirklich wieder beruhigt haben, können Sie laufen und Ih- re Sachen packen. Die Reise nach London dauert zwei Ta-
ge. Nehmen Sie nur mit, was Sie brauchen. Wir reisen mit wenig Gepäck, den Rest lassen wir per Kurier nach Knight House bringen – das ist das Haus meines ältesten Bruders, des Duke of Hawkscliffe. Ich habe eine Schwester in Ihrem Alter, die auch dort wohnt. Ihre Gouvernante wird auch nach Ihnen sehen.“
Miranda starrte ihn ziemlich verständnislos an; das alles ging ihr viel zu schnell.
„Alles wird gut, Miranda. Und nun packen Sie Ihre Sa- chen“, drängte er. „Bleiben Sie in Bewegung, das ist das beste Heilmittel. Wir können Coventry noch erreichen, ehe es dunkel wird.“
„Offensichtlich bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet“, sag- te sie, um Klarheit bemüht, „weil Sie mich vor diesen Ga- noven letzte Nacht gerettet haben, weil Sie meinem Onkel ein guter Freund waren, weil Sie mir ein so großzügiges Angebot machen. Aber ich will nicht nach London. Ich möchte hier bei meinen Freundinnen bleiben.“
Sie wagte es einfach nicht, sich diesem gewaltigen Krie- ger anzuvertrauen – nie würde sie seinen Anblick verges- sen, wie er auf der schneebedeckten Hügelkuppe gestan- den hatte, barbarisch und großartig, von Mondlicht über- gossen und blutüberströmt. Außerdem wusste sie, was mit Amy geschehen würde, sobald sie Yardley verließ.
Einen winzigen Augenblick erwog sie, Damien von Mr. Reeds unnatürlichen Neigungen zu erzählen, ließ den Ge- danken dann jedoch schaudernd wieder fallen. Niemals würde sie es fertig bringen,
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