Gaelen Foley - Knight 03
Entlassungsur- kunde und reichte sie ihm. „Hier. Herzlichen Glück- wunsch, Mylord. Major Sherbrooke wäre Ihnen sicher sehr dankbar.“
„Das ist einfach gewissenlos! Sehe ich vielleicht aus wie ein Kindermädchen? Ich kann doch nicht von einem Mo- ment auf den anderen ein Kind bei mir aufnehmen, darauf bin ich doch in keinster Weise vorbereitet.“
„Mein lieber Colonel, wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass Miss FitzHubert ein Kind ist?“
Erschrocken starrte Damien ihn an. „Was ist sie denn dann? Ein Kobold?“
„Überzeugen Sie sich selbst. Miss Brocklehurst!“ rief er zur Tür. „Führen Sie FitzHubert herein!“
Damien wandte sich um, als die Tür aufging. Eine ältere Frau mit verkniffenem, hartem Gesicht kam herein und nickte ihm zu.
„Das ist Miss Brocklehurst“, stellte Mr. Reed vor.
„Nun komm schon“, sagte die Direktorin zu jemandem in der Eingangshalle.
„Und das“, verkündete Mr. Reed mit einer Missbilligung, die an Feindseligkeit grenzte, „ist Miranda.“
Sie kam herein, mit hoch erhobenem Haupt und blitzen- den grünen Augen, bereit zum Kampf.
Sobald er sie sah, hatte Damien das Gefühl, man ziehe ihm den Boden unter den Füßen weg.
Wie angewurzelt stand er da, mit wild klopfendem Her- zen. Zuerst war er sich nicht sicher – es konnte nicht sein, es war einfach nicht möglich. Sie sah so anders aus. Doch als sich ihre Blicke trafen und sie mit einem erschrockenen kleinen Keuchen stehen blieb, wusste er, dass er sich nicht täuschte. Es war die unbeugsame Miss White!
Und schneeweiß wurde sie jetzt auch, als sie ihn anstarr-
te, Panik im Blick. Damien musterte sie fassungslos, woll- te kaum seinen Augen trauen angesichts dieser Verwand- lung. Jetzt war sie der Inbegriff züchtiger Unschuld, in beigefarbenem Straßenkleid mit sauberen weißen Hand- schuhen. Ihr welliges dunkles Haar, das ihr am gestrigen Abend so üppig über die Schultern gewallt war, war nun zu zwei schulmädchenhaften Zöpfen geflochten.
„Mylord, erlauben Sie, dass ich Ihnen Miss Miranda FitzHubert vorstelle“, sagte Mr. Reed. „Miss FitzHubert, das ist Colonel Lord Winterley, Ihr neuer Vormund.“
„Mein was?“ fragte sie entsetzt und schaute vom Pfarrer zu ihm.
Wirr wirbelten Damien die Gedanken durch den Kopf, bis die einzelnen Puzzleteile schließlich an Ort und Stelle waren. Ihre Weigerung, ihm ihren richtigen Namen zu ver- raten. Ihre Mutter, die Schauspielerin. Mr. Reeds Beschrei- bung ihrer rebellischen Natur. Die Schule lag nicht weit vom Theater entfernt. Ihm fiel ein, wie sie den Applaus in sich aufgesogen hatte.
Mein Gott, die Wahrheit war unausweichlich. Diese sinnliche, starrköpfige, unmögliche Kreatur, die ihren herrlichen Körper auf der Bühne vor ihm und halb Bir- mingham zur Schau gestellt hatte, die in seinen Armen da- hingeschmolzen war und ihn dann hatte stehen lassen, so- bald er ihr den Rücken kehrte, die beinahe seinen Tod ver- schuldet hätte, weil sie munter an einer ganzen Verbre- cherkolonie vorbeimarschiert war, diese engelsgesichtige Ausgeburt der Hölle war die kleine Miranda FitzHubert. Ganz und gar die seine und ganz und gar tabu für ihn. O Gott, dachte er. Beinahe hätte ich mein eigenes Mündel verführt. Zum ersten Mal seit langem flößte ihm eine Auf- gabe Unbehagen ein. Wieder erinnerte er sich an den hin- reißenden Anblick, den sie in dem dünnen lavendelfarbe- nen Kleid geboten hatte, und wie sich ihre warmen, wei- chen Lippen seinem Kuss in begieriger Unschuld geöffnet hatten. Ihm graute vor der Versuchung, die sie für ihn dar- stellte.
„Könnte mir jemand mal verraten, was hier los ist?“ rief die kleine Betrügerin verängstigt.
Damien straffte sich und warf Mr. Reed einen Blick zu. „Lassen Sie uns allein“, befahl er.
Mirandas Herz hämmerte im Stakkato. Als sie den Raum betreten hatte, war sie auf eine Tracht Prügel gefasst gewe- sen, aber das hier war möglicherweise noch schlimmer. Sie konnte nicht fassen, dass das grauäugige Monster sie ge- funden hatte, doch nach dem, was sie gestern Abend gese- hen hatte, war sie fast davon überzeugt, dass der Mann übernatürliche Kräfte besaß, die ihm der Teufel verliehen hatte. Ein Earl, dachte sie verstört. Sie wusste, was das hieß. Ein Earl war ein Mann, der tun konnte, was immer er wollte und mit wem er es wollte, zum Beispiel irgendwel- ches Gesindel umbringen. Earl bedeutete Geld. Genug, um damit ein Mädchen in seine Gewalt zu bringen, das es ge- wagt hatte, seine
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