Gaelen Foley - Knight 03
und betete um Ge- duld, doch ihr Vormund lachte nur leise. Er band das Pferd vom Pfosten los und schwang sich in den Sattel.
„Kommen Sie. Steigen Sie auf den Block.“
Leise vor sich hin schimpfend, tat Miranda, wie ihr ge- heißen. Der quadratische Steinblock war vereist und ent- sprechend schlüpfrig. Der Earl lenkte sein Pferd zu ihr, streckte ihr die Hand entgegen und schob den Steigbügel mit dem Fuß in ihre Richtung.
„Hier, nehmen Sie meine Hand.“
Nervös packte sie die in einem dicken Lederhandschuh steckende Hand und setzte den Fuß in den Steigbügel. Er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie auf seinen Schoß, wo sie dann wie im Damensattel zu sitzen kam. Er- schrocken klammerte sie sich an ihm fest, während das Pferd herumtänzelte und den Kopf nach hinten warf. Plötzlich war der Abschied nahe.
Als Miranda das alte Bauernhaus mit seinem Schiefer- dach und die zerlumpte Mädchenschar betrachtete, die ihr nachwinkte, bekam sie einen Kloß im Hals. So unglücklich sie hier auch gewesen sein mochte, es war ihr Heim. Ihr Le- ben würde sich tatsächlich verändern, aber nicht so, wie ihr herrischer Vormund sich das ausgedacht hatte.
Ohne weiteres Federlesen lenkte er den Hengst aus dem Innenhof. Sie überquerten die schlammige Allee, um den Weg über die Felder abzukürzen, hinter denen die Straße nach Coventry lag. Als sie über die freie Fläche ritten, zeig- te sich seit Wochen zum ersten Mal die Sonne.
Miranda hielt den Atem an, als das gleißende Licht die Welt um sie herum verwandelte, als wäre ein schmuddeli- ger Schleier fortgezogen. Der weite Himmel erstrahlte wieder in seinem ursprünglichen Blau, und der Schnee funkelte verheißungsvoll. Damien schnalzte seinem Pferd zu. Erschrocken stieß Miranda einen spitzen Schrei aus und klammerte sich ängstlich an seiner Taille fest, als das Pferd die Gangart verschärfte und sie beinah in hohem Bo- gen heruntergefallen wäre.
Damiens leises Lachen hüllte sie in weißen Hauch. Er hielt sie fester und spornte das Pferd zum Trab – und plötz-
lich wich ihre Angst purem Staunen. Es war, als flögen sie. Mühelos trabte der Schimmel dahin, unter den Pferdehu- fen stob der Schnee in glitzernden Fontänen auf, während der Wind ihre Wangen rosig färbte. Damiens muskulöser Körper bot ihr starken, sicheren Halt.
Als sie ihn voll Erstaunen anschaute, lächelte er ihr ver- schwörerisch zu. Die Sonne ließ sein gebräuntes Gesicht aufleuchten, und in seinen klaren Augen spiegelte sich das blasse reine Blau des Himmels.
„Halten Sie sich fest“, murmelte er.
Sie riss die Augen auf, als sie die Hecke sah. Sie spürte, wie Zeus abhob, und hielt den Atem an, als sie über das Hindernis flogen und auf der anderen Seite aufsetzten. Mit sicherer Leichtigkeit fing der geschmeidige Pferdekörper den Aufprall ab. Noch ein kleiner Sprung die Böschung hi- nunter, und der Hengst hatte die Straße erreicht und trug sie einer ungewissen Zukunft entgegen.
4. KAPITEL
Eine ganze Weile ritten sie in verlegenem Schweigen da- hin; außer dem Wispern des Windes, der den Schnee wie Wüstensand vor sich her trieb, war nichts zu hören. Da- mien, der die Zügel zu beiden Seiten ihrer schmalen Taille hielt, tat sein Bestes, um sich von dem üppigen warmen Körper in seinen Armen abzulenken, von ihrem Hinterteil, das sich im Rhythmus der Hufschläge immer wieder an sei- nen Schoß drückte. Anders als der Direktor behauptet hat, ist Miranda gar nicht so schwer zu zügeln, dachte er zufrie- den. Sobald ihr klar geworden war, dass er hier das Sagen hatte, war sie brav wie ein Engel geworden.
Als sie zitterte, knöpfte er seinen Mantel auf und hüllte sie mit darin ein, ihren Protest überhörend. Wenn er sich ansah, in welch schäbigem Zustand sich ihr Mantel be- fand, hätte er seinen Freund am liebsten verprügelt, weil er sie so lang vernachlässigt hatte. Das war nicht gut, Jason, ganz und gar nicht. Es wurde immer kälter, und mehr hat- te sie nicht dabei zum Anziehen. Und dabei war sie die Tochter eines Viscount, zum Kuckuck. Ihre Schuhe hätte man schon längst zum Trödler bringen müssen. Wenn er daran dachte, dass seine Schwester eine ganze Kammer voller Kleider und Schuhe hatte, konnte er nur mit dem Kopf schütteln. Mirandas Besitztümer passten allesamt in eine armselige Ledertasche, und doch beklagte sie sich nicht.
Beschützend fasste er sie um die Taille, und den restli- chen Ritt wärmten sie sich aneinander. Er ließ sich gerade durch den
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