Gaelen Foley - Knight 03
„Komm, Amy, wir müssen tapfer sein und un- serer Zukunft ohne Zagen entgegentreten.“
„Tot? Oh, aber Miranda – du kannst mich hier doch nicht allein lassen!“
„Das reicht jetzt, Perkins.“
„Verzeihung, Miss Brocklehurst.“ Amy verkniff sich die angsterfüllten Fragen, blieb jedoch dicht bei Miranda ste- hen, während die ihren zerschlissenen Mantel anzog, den Hut aufsetzte und sich die Ledertasche umhängte.
„Kommt, Mädchen“, sagte die Direktorin. „Ihr könnt euch unten von FitzHubert verabschieden.“
Traurig gingen die Mädchen die Treppe hinunter, Miss Brocklehurst voran, Jane und Sally hinter Miranda und Amy.
Auf der Treppe legte Miranda den Arm um Amy und beugte sich zu dem Kind hinunter. „Ich komme dich heute Nacht holen“, flüsterte sie eilig. „Schlaf nicht ein – und was du auch tust, komm nicht in die Nähe von Mr. Reed. Verstehst du?“
Amy nickte ernst.
„Ich werfe Steinchen gegen das Fenster, wenn ich da bin; dann musst du an meinem Seil nach unten klettern.“
„Und wohin gehen wir dann?“ fragte Amy mit großen Augen.
„Wir schließen uns Mr. Chippings Schauspieltruppe an.“
Amy keuchte. „Wirklich? Kann ich auch Schauspielerin werden?“
„Psst!“ Miranda sah sich um, um sich zu vergewissern, dass die anderen nichts gehört hatten. „Bestimmt hat Mr. Chipping für dich ab und zu eine kleine Rolle. Was hältst du davon?“
„Was ich davon halte?“ rief sie aus. „Ja! Ach, Miranda, ich kann es gar nicht abwarten, hier herauszukommen. Du bist die beste, liebste ...“
„Psst! Ich versteh ja, dass du aufgeregt bist, aber das darfst du dir nicht anmerken lassen. Wenn Mr. Reed oder die Oberhexe es herausfinden, sind wir verloren. Bitte bring mein Kostüm und meine Schuhe mit. Ich hab sie un- ter dem Bett liegen lassen, damit Miss Brocklehurst sie nicht sieht.“
Amy nickte ernst, und dann entdeckte sie unten Lord Winterley und quiekte aufgeregt. „Ist das dein neuer Vor- mund? Ich glaube, ich fall in Ohnmacht! Der ist ja einfach himmlisch!“
Miranda rollte mit den Augen und ging vor. Damiens Schultern wirkten noch breiter, seit er den Kutscherman-
tel angelegt hatte. Als sie unten zu ihm trat, musterte er sie mit stählernem Blick, unpersönlich wie ein General, der seine Truppen inspiziert. Er nahm ihr die Tasche ab.
„Ich habe Mr. Reed gebeten, dass er Ihre Sachen ins Knight House am Green Park schickt, denn dort werden Sie wohnen.“
„Mehr habe ich nicht“, erwiderte sie, über ihre Armut er- rötend, doch gleichzeitig hob sie stolz das Kinn.
„Verstehe.“ Er wandte sich ab, anscheinend etwas ratlos. „Dann hier entlang. Leider haben wir die Kutsche von Bir- mingham schon verpasst. Insgesamt haben wir etwa hun- dert Meilen vor uns, aber den ersten Abschnitt können wir heute schon mal hinter uns bringen.“
Sie folgte ihm nach draußen, doch als sie den trostlosen Innenhof erreicht hatten, blieb sie noch einmal stehen. Weit und breit war keine Kutsche zu sehen, nur ein großes weißes Pferd, das mit dampfendem Atem im Schnee scharrte und auf sie einen ebenso arroganten und ein- schüchternden Eindruck machte wie Lord Winterley.
„Bis Coventry müssen wir uns mein Pferd teilen“, teilte er ihr knapp mit, während er zu dem herrlichen Tier ging und ihre Tasche am Sattel befestigte.
Amy trippelte nach draußen, stakste durch den Schnee und stellte sich mit einem verschwörerischen Kichern ne- ben sie. Der kleine Kobold schaute von Damien zu Miran- da, worauf diese ihr einen Rippenstoß versetzte.
„Hör auf“, zischte Miranda ihr zu.
„In zwei, drei Stunden dürften wir dort sein“, fuhr er fort. Da er ihnen den Rücken zukehrte, hatte er nichts von ihrem Austausch bemerkt. „Wir steigen in der Poststation ab. Morgen früh besorge ich Ihnen dann einen Platz in der Postkutsche, während ich auf Zeus hinterherreite.“ Er tät- schelte das Pferd und drehte sich dann um. „Fertig?“
„Ich kann nicht reiten“, meinte Miranda und warf dem herrlichen Tier einen ängstlichen Blick zu.
Er zuckte mit den Schultern. „Das gibt sich.“
Amy kicherte noch einmal, was den Colonel auf sie auf- merksam machte. Als er das Kind anschaute, lächelte Amy und knickste. Er zog eine Augenbraue hoch.
„Das ist Miss Perkins“, stellte Miranda vor.
Sein Blick wurde etwas weicher. Belustigt verneigte er
sich vor dem kleinen Mädchen. „Mademoiselle.“
Amy stieß ein entzücktes Quieken aus und rannte ins Haus. Miranda blickte zum Himmel
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