Gaelen Foley - Knight 03
wurden Männerstimmen laut. Mi- randa sprang beiseite, lief dabei in den Lakaien hinein, und die Kutsche ratterte mit zwei Rädern über den Geh- steig und brachte Farbdrucke und Bücherkarren zu Fall. Um Haaresbreite verfehlte die Kutsche sie; völlig ver- stört spürte sie den Fahrtwind der schweren Speichenrä- der. Schwankend krachte die Kutsche zurück auf die Stra- ße und raste weiter. Gleich darauf war sie um die nächste Ecke verschwunden.
Wachsbleich und völlig erschüttert stand Miranda da, während aus allen Richtungen die Leute herbeiströmten. „Mademoiselle, sind Sie verletzt?“
„Brauchen Sie Hilfe?“
Zu Mirandas Erleichterung kam in diesem Augenblick Lizzie aus dem Laden gestürmt. „Miranda, was ist pa~ siert?“ rief sie und umarmte Miranda.
„Diese verflixte Kutsche hätte die arme junge Dame bei- nahe überfahren“, erklärte einer der liederlichen jungen Gentlemen empört.
„Geht es dir gut?“ fragte Lizzie besorgt.
„Ich glaube schon“, erwiderte Miranda, musste aber schlucken, als ihr bewusst wurde, wie leicht sie unter die Hufe der Pferde oder die schweren Speichenräder der Kut-
sche hätte kommen können.
„Hat jemand das Gesicht dieses Rasers gesehen?“ erkun- digte sich ein stämmiger junger Mann, während ein ande- rer sich herausnahm, den Lakaien zu beschimpfen, als wä- re der an der ganzen Sache schuld.
„Konnte keinen einzigen Blick auf ihn werfen“, meinte ein hagerer blonder Bursche. „Offensichtlich hat er die Kontrolle über sein Gespann verloren. Es sei denn, jemand wollte Sie umbringen, Miss?“ fügte er, an Miranda ge- wandt, in scherzhaftem Ton hinzu, um ihr ein Lächeln zu entlocken, doch die junge Frau wurde bleich, da ihr der Angriff auf Bordesley Green wieder einfiel.
„Ich ... ich glaube nicht“, stammelte sie.
„Ach, um Himmels willen! Nun machen Sie ihr doch nicht noch mehr Angst“, schalt Lizzie mit der Strenge der geborenen Gouvernante. „Sie dürfen sich jetzt alle wieder entfernen, vielen Dank. Meiner Freundin geht es gut.“
Nur widerwillig zogen sich die Bond-Street-Stutzer zu- rück. Miranda nickte ihnen dankbar zu. Derart in einen dummen Unfall verwickelt, kam sie sich wie eine Landpo- meranze vor. Aber dennoch ...
Besorgt wandte sie sich an Lizzie. „Hältst du es für mög- lich, dass mich dieser kleine Kerl mit Absicht überfahren wollte?“
„Ach, hör doch nicht auf diese albernen jungen Männer, meine Liebe. Das wäre dumm“, schimpfte Lizzie und tät- schelte ihr die Schulter. „In London fahren sie alle wie die Henker. Du bist es nur noch nicht gewohnt. Wollen wir zu- rück zur Schneiderin und mal nachschauen, ob die Ladys schon bereit sind, nach Hause zurückzufahren? Wir könn- ten wohl beide ein Tässchen Tee gebrauchen.“
Miranda nickte. „Bitte erzähl Lord Winterley nichts von der Sache, ja?“ Ängstlich blickte sie von Lizzie zum krei- debleichen Lakaien. Nicht nur, dass sie sich wegen dieser Episode schämte, sie wollte Damien in seiner momentanen angegriffenen Verfassung auch nicht aufregen oder erzür- nen.
„Ich finde schon, dass wir es ihm sagen sollten, aber wenn du es nicht möchtest, verrate ich nichts“, antwortete Lizzie zögernd.
„Ich auch nicht, Miss“, fügte der Lakai hinzu.
Als ihr klar wurde, dass Damien vermutlich den armen Dienstboten für den Zwischenfall verantwortlich machen würde, ebenso wie es der junge Gentleman getan hatte, war sie froh, dass sie den Mann vor dem Zorn ihres Vor- munds bewahren konnte.
Lizzie holte Amys Schirm, den Miranda fallen gelassen hatte. Das Einwickelpapier war zerrissen, aber der Schirm selbst war zum Glück noch in Ordnung. Lizzie half dem Buchhändler noch, die beschädigten Bücher einzusam- meln. Der Mann beklagte sich bitterlich über die zerrisse- nen Blätter und die lädierten Einbände. Dass eine Frau di- rekt vor seinem Laden beinahe zu Tode gekommen wäre, schien ihn weniger zu bekümmern.
Immer noch zitternd, ging Miranda mit Lizzie zurück zur Schneiderin, wo die Herzogin und Lady Lucien der Nähe- rin gerade letzte Anweisungen gaben. Miranda setzte sich in eine stille Ecke und wartete schweigend, während der Lakai die Kutsche holte. Miranda wollte die Bemerkung des jungen Gentleman einfach nicht aus dem Kopf gehen, obwohl sie es selbst albern fand. Sie rieb sich die Arme, um sich zu wärmen. Wenn Damien doch nur hier wäre.
Am nächsten Abend führten sie Miranda mit einem Thea- terbesuch im Drury Lane vorsichtig ins vornehme
Weitere Kostenlose Bücher