Gaelen Foley - Knight 03
Nägel, feilte und polierte sie, bis sie makellos glänzende Ovale waren, und rieb ihr dann mit duftenden Cremes die Hände ein, um die Schwielen zu glätten, die sie von der Hausarbeit in Yardley zurückbehalten hatte.
Danach nahmen die Herzogin und Lady Lucien Miranda in die Bond Street mit, Lady Jacinda und die nette Miss Carlisle im Schlepptau. In den wohl sortierten Läden machten sich die beiden Damen daran, ihren Gast von Kopf bis Fuß neu auszustatten, gingen vom Schneider zur Hutmacherin, vom Strumpfwaren– zum Stoffhändler, vom Korsettschneider zum Schuster. Miranda machte es über- haupt nichts aus, abgemessen, herumgeschoben und mit Stecknadeln gepikst zu werden, im Gegenteil, sie sonnte sich in all der Aufmerksamkeit, denn wenn die Duchess of Hawkscliffe mit Gefolge einen Laden betrat, waren die an- deren Kundinnen plötzlich abgeschrieben. Das Personal kümmerte sich nur noch um seine vornehme Kundschaft. Kenntnisreich orderten die beiden Damen für Miranda ein Dutzend Tageskleider, bestehend aus Hauskleidern, Straßenkleidern und Visitenkleidern, einen eleganten braunen Reitdress, ein paar elegantere Promenadenklei- der, Abendroben und Ballkleider in lebhafteren Farben. Dann kamen die Accessoires. Miranda ließ sich von ihren
Wohltäterinnen bei der Auswahl beraten und sah sich bald im Besitz von verschiedenen Lederhandschuhen, Schuhen, zarten Seidenschühchen und Tanzschläppchen, dazu Stie- feln, einem Paar Stelzschuhe für schlechtes Wetter, einer wunderbaren pelzverbrämten Pelisse, die ihren groben Wollmantel ersetzen sollte, von Hüten in jeder erdenkli- chen Form, einer großzügigen Wäscheausstattung und weißen Seidenstrümpfen. Am aufregendsten fand sie es, die Ballkleider zu bestellen. Die Herzogin entschied, dass Miranda mindestens zwei formelle Abendroben brauchte – die wegen ihrer wertvollen Samt– und Satinstoffe ebenso viel kosteten wie alles Übrige zusammen.
Um ihres Stolzes willen hoffte Miranda verzweifelt, dass Onkel Jason ihr so viel Geld hinterlassen hatte, dass sie ih- re neue Garderobe selbst bezahlen konnte, aber sie brach- te es nicht fertig zu fragen. Allmählich lernte sie die Regeln dieser neuen Welt, und zu den vielen Themen, über die ei- ne Dame nicht sprach, schien auch das Geld zu gehören. Die Herzogin und Lady Lucien benahmen sich jedenfalls, als gäbe es diesen Schatz an neuen Kleidern einfach um- sonst.
Lady Jacinda schmeichelte der Herzogin ein neues Kleid ab, und während bei ihr Maß genommen wurde, bat Miran- da um Erlaubnis, kurz in das Schirmgeschäft zu gehen, an dem sie vorhin vorbeigekommen waren. Im Schaufenster hatte sie einen hübschen rosa Sonnenschirm gesehen, den sie kaufen und Amy zu Weihnachten nach Yardley schi- cken wollte. Damien hatte ihr schließlich drei Guineen Ta- schengeld die Woche zugestanden, die sie ausgeben durfte, wofür sie wollte. Die pure Verschwendung, dachte sie glücklich. Die Herzogin erlaubte es ihr, und Miss Carlisle, die darauf bestand, dass Miranda sie Lizzie nannte, wollte sie begleiten. Als Eskorte nahmen sie noch den Lakaien in der dunkelblauen Hawkscliffe-Livree mit. Die Mädchen schlüpften hinaus, während sich im Laden die beiden ele- ganten jungen Ehefrauen und die Schneiderin mit großem Elan der goldblonden Lady Jacinda zuwandten.
Miranda mochte die belesene, bescheidene und immer fröhliche Lizzie Carlisle sehr gern. Obwohl sie von völlig verschiedenem Naturell waren, hatten sie doch einiges ge- meinsam: ihren niedrigen gesellschaftlichen Status inmit-
ten der hochwohlgeborenen Knight-Sippe, ihr Alter und die Tatsache, dass sie beide Mündel der Knights waren. Lizzies Vater war der Gutsverwalter des letzten Duke ge- wesen, genau wie sein Vater davor. Als ihr Vater vor fünf- zehn Jahren gestorben war, war Lizzie in die herzogliche Familie aufgenommen worden. Von klein auf war sie Ja- cindas Spielkameradin und Gesellschafterin gewesen.
Lizzie hatte sich rasch mit Miranda angefreundet, war ihre Verbündete und manchmal auch ihre Ratgeberin in der seltsamen Welt der Londoner Aristokratie geworden. Wenn sie allein miteinander waren, hatte Miranda das Ge- fühl, sich ein wenig entspannen zu können, denn die übri- ge Zeit gab sie sich größte Mühe, sich von ihrer besten Sei- te zu zeigen.
Unter munterem Geplauder schlenderten sie die Bond Street hinunter, der Lakai immer ein paar respektvolle Schritte hinter ihnen. Miranda genoss diesen kleinen Aus- flug, obwohl sie ab und zu das unangenehme
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