Gaelen Foley - Knight 04
handelt hatte. Neben Lizzie war sicher er ihr bester Freund. Nein, sie musste sich korrigieren: Er war mehr als ein Freund.
Viel mehr.
Er wandte den Kopf und küsste mit einem spöttischen Lä- cheln Jacindas Hand. „Genug der Folter“, murmelte er. „Lass uns zusehen, dass wir hier verschwinden.“
Jacinda nickte nur. Dann öffnete er die Tür, schaute sich nach allen Seiten um und bedeutete Jacinda, dass sie ihm folgen solle. Leise eilten sie zusammen über den leeren Flur. Auf einmal überkam Jacinda die Sorge, dass jemand ihre Abwesenheit bemerkt haben könnte. Lord Drummond frag- te sich bestimmt, wo Rackford und sie geblieben waren.
Sie erreichten die Stelle, an der sich ihre Wege trennen sollten: Rackford würde durch den Dienstbotentrakt zu- rücklaufen, wohingegen Jacinda den Weg einschlug, den sie gekommen war. Rasch küsste Rackford sie noch einmal, ehe er die Tür öffnete.
„He, Schönheit!“ rief er leise, als sie an einen Spiegel trat, um ihre Sachen und ihre Frisur zu ordnen.
Errötend drehte Jacinda sich zu ihm um.
„Ja?“
„Süßer als Zuckerwatte“, flüsterte er mit einem verwege- nen Lächeln und warf ihr einen Handkuss zu.
Jacinda keuchte auf, aber ehe sie etwas erwidern konnte,
war Rackford bereits verschwunden. Sie konnte nur noch seine Schritte hören, die im Treppenhaus verhallten. Lä- chelnd wandte Jacinda sich wieder dem Spiegel zu und be- trachtete mit zufriedener Bewunderung das Diamanten- halsband. Dann schüttelte sie den Kopf und lachte.
Rasch strich sie das Haar glatt, brachte ihr Kleid in Ord- nung und eilte dann zurück in den Ballsaal.
Sie gehört mir. O ja. Ob sie es nun zugeben wollte oder nicht, seine störrische Liebste fing endlich an, seine Gefühle zu er- widern. Rackford war sich dessen sicher. Zufrieden lächelnd sprang er die Stufen zum Portal des Hauses seines Vaters hoch.
Es war spät geworden. Er kam gerade erst vom Ball der Taylors nach Hause. Wie üblich öffnete der Butler Gerard schon die Tür, ehe Rackford klopfen konnte. Er streifte die Asche seines Zigarillos ab und trat dann ins Haus. Seine Mutter nannte das Rauchen „eine abstoßende Gewohnheit“, aber jeder Mann brauchte ein Laster.
Rackford hätte sich nur zu gerne eine gemütliche Jungge- sellenwohnung auf der anderen Seite der Stadt genommen, aber Sir Anthony wollte, dass Rackford hier blieb, weil er ihn so besser überwachen konnte – nicht nur aus Eigennutz, sondern auch um Rackford besser beschützen zu können. Schließlich hatte er dafür gesorgt, dass viele Verbrecher hinter Schloss und Riegel gekommen waren.
Als Rackford durch die Halle auf die Treppe zuging, muss- te er unwillkürlich an die unwiderstehliche Lady Jacinda denken.
Heute Abend war er ein großes Risiko eingegangen, aber er war trotzdem froh, es getan zu haben. All diese Anstands- regeln machten es einem schier unmöglich, einmal mit sei- nem Mädchen allein zu sein. In seinem Gaunerviertel hatte es den Mädchen freigestanden, mit wem sie ihre Zeit hatten verbringen wollen, und sie waren mit ihrer Gunst höchst freizügig umgegangen, wenn ihnen ein Mann gefallen hatte. Er war an all diese Hindernisse nicht gewöhnt, die ein Mann aus dem Weg räumen musste, um seiner Herzensdame nah zu sein: Anstandsdamen, Gouvernanten, Brüder, die adler- äugigen Matronen der guten Gesellschaft. Aber immerhin war er heute Abend seinem Ziel ein Stück näher gekommen.
Er musste Jacinda davon überzeugen, wie gut sie zueinan- der passten.
Wie sehr sehnte er sich nach Erleichterung! Er hatte sie vorhin daran gehindert, ihn weiter zu berühren, weil er sich mit nichts Geringerem zufrieden geben wollte, als sich mit Jacinda zu vereinen. Und der Teufel sollte ihn holen, wenn er seine zukünftige Frau woanders entjungferte als in sei- nem eigenen Bett. Aber es musste bald geschehen, sonst würde er noch verrückt werden. In letzter Zeit stellte er sich viel zu häufig vor, wie er sie entkleiden, jede kleine Schleife aufziehen, Stück für Stück ihre Kleidungsstücke abstreifen würde und ...
„William!“ riss ihn eine strenge Stimme aus seinen Träu- mereien.
Rackford drehte sich um und sah seinen Vater im Flur auf sich zu kommen, das Krawattentuch unordentlich gebun- den und das Gesicht gerötet vom übermäßigen Trinken.
Aber als er das aggressive Glänzen in den Augen seines Vaters bemerkte, sank Rackford der Mut. Er kannte diesen Blick, obwohl er ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. „Mach das Ding aus, du
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