Gaelen Foley - Knight 04
Blade ihn mit fester Stimme und versuchte, sein Entsetzen über O’Dells ruchlose Metho- den zu verbergen. „Du bist doch noch ein Kind. Ich kenne O’Dell. Er hat dich bedroht, du hattest keine andere Wahl. Du kannst nichts dafür.“
Der Junge schaute ihn trostlos an und umarmte ihn dann durch die Gitterstäbe hindurch.
Blade versuchte ihn, so gut er konnte, zu trösten, aber sei- ne Gedanken rasten. „Komm, komm“, stieß er hervor und strich dem Jungen kurz durchs Haar. „Wisch dir die Tränen ab. Dein alter Blade hat immer noch ein Ass im Ärmel.“
Lucien Knight schuldete ihm einen Gefallen.
Blade schickte Eddie los, damit er seinen einzigen Kon- taktmann zur Regierung holte, und ging dann ruhelos in sei- ner Zelle auf und ab, aber als Lucien eintraf und hörte, dass Blade und seine Gang auf frischer Tat ertappt worden wa- ren, blickte er grimmig drein.
„Ich will sehen, was ich tun kann, Rackford, um Ihnen zu helfen, aber so groß ist mein Einfluss nicht.“
„Kennen Sie vielleicht einen, der genug Einfluss hat?“ fragte Blade ungeduldig.
„Nein“, erwiderte Lucien, „aber Sie.“
„Verdammt.“ Blade wandte sich ab, als wenn Lucien ihn geschlagen hätte. Verzweifelt fuhr er sich mit der Hand durch die Haare, setzte sich auf seine Pritsche und starrte an die Wand.
Allein bei der Vorstellung, seinen alten Folterknecht wie- derzusehen, krampfte sich ihm der Magen zusammen, aber er hatte das Gefühl, dass er keine Wahl hatte. Unentschlos- sen erhob er sich.
Es ging um das Leben von Nate und den anderen. Was hat- ten seine Tätowierungen anderes zu bedeuten als Loyalität gegenüber Nate und der Bande? Zum Teufel, lieber würde er am Galgen baumeln, als wieder bei seinem Vater angekro- chen zu kommen.
Bring uns nur lebend zurück, hatte Nate gesagt.
Das tue ich doch immer, hatte er geprahlt.
Blade schloss die Augen und seufzte. Die Erniedrigung war kaum zu ertragen, aber er hatte keine andere Wahl. Er wusste nicht mal, ob es funktionieren würde. Es sähe seinem Vater ähnlich, ihn hier verrotten zu lassen.
„Nun?“ drängte Lucien.
Blade nickte.
„Eine weise Entscheidung“, lobte Lucien. „Ich komme bald wieder. Laufen Sie nicht weg.“
Blade verzog das Gesicht.
Lucien lächelte ihn an, dann drehte er sich um und lief die Treppe hoch, um den einen Mann zu holen, den Blade nie hatte Wiedersehen wollen, den Mann, den er sogar noch mehr hasste als O’Dell: den Marquis of Truro and St. Aus- tell.
Seinen Vater.
Jacindas Gedanken überschlugen sich, als sie mit Miss Hood und dem Earl of Drummond unter ihrem Sonnenschirm auf der Picknickdecke saß. Der alte Herr erzählte gerade eine Geschichte über ihre Mutter und ihre Eskapaden auf einem Maskenball. Hingerissen hörte sie zu, als der Earl den Kopf- putz ihrer Mutter beschrieb: eine hohe, weiße Perücke vol- ler kleiner Vogelkäfige, in denen jeweils ein lebender Vogel gesessen hatte. Jacinda lachte ungläubig auf, und selbst Miss Hood wurde zu einem leisen Kichern verleitet, als der Earl berichtete, wie die Herzogin Punkt Mitternacht alle Vogelkäfige geöffnet hatte.
„Kanarienvögel, kleine Papageien, Dompfaffen, Wellen- sittiche, Blaumeisen. Alle Gäste mussten sich ducken, als der ganze Schwarm immer wieder durch den Ballsaal flog, um einen Weg nach draußen zu finden. Ich glaube, ein paar Dompfaffen haben die Bowle als Vogelbad missbraucht. Unsere Gastgeberin Lady Ilcester hätte Ihre Mutter am liebsten erdrosselt – und das war noch, bevor einer der Vö- gel ihr auf die Schulter gemacht hat. War das ein Aufruhr!“ Er lachte. „Lady Ilcester wurde hysterisch und hat Ihre Mutter beschimpft, aber Georgina hat sie nur ganz lässig angeschaut und gesagt: ,Aber meine liebe Amelia, wissen Sie nicht, dass das Glück bringen soll?’„
Selbst die Diener mussten ein Lachen unterdrücken.
„Oh, mein lieber Lord Drummond, erzählen Sie uns noch mehr“, bat Jacinda.
Lord Drummond überlegte und tat ihr dann den Gefallen. Jacinda war bereits zu dem Schluss gekommen, dass sie ihren Nachbarn sehr gerne mochte. Hinter seinen blitzen-
den grauen Augen hatte sie sehr schnell eine gewisse Ruch- losigkeit entdeckt – er war sicher kein Mann, dem sie in die Quere kommen wollte –, aber da sie das auch nicht vorhatte und an die Gesellschaft mächtiger Männer gewöhnt war, be- nahm sie sich ihm gegenüber so natürlich wie bei ihren Brü- dern. Der Earl war rüde, störrisch und voreingenommen; ein Mann, der äußerte, was er
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