Gaelen Foley - Knight 04
dachte, ohne sich um andere zu kümmern. Außerdem war er verwitwet. Miss Hood hatte sich erkundigt, ob Lady Drummond ihn aufs Land begleitet habe, und da hatte er verkündet, dass seine Frau vor fast zehn Jahren gestorben sei-
Bei dieser Aussage hatten sich die Zahnräder in Jacindas Kopf zu drehen begonnen. Während der Earl erzählte, be- trachtete sie ihn nachdenklich. In seiner Jugend war er be- stimmt ein sehr gut aussehender Mann gewesen. Jetzt war er fast siebzig und zwar körperlich immer noch gut beisam- men, aber sein Herz war nicht ganz gesund, so dass sein Arzt ihm dazu geraten hatte, aufs Land zu ziehen.
„Ah, da ist ja mein Quälgeist“, meinte Lord Drummond mit einem missvergnügten Blick auf Dr. Cross, der auf sie zukam. „Er ist so furchtbar pflichtbewusst! Der Teufel soll ihn holen. Wenn ich ihn nicht umbringe, macht er mich am Ende noch gesund. Ich nehme an, er wird mich gleich vor ei- ner jungen Dame in Verlegenheit bringen, indem er darauf hinweist, dass es Zeit für mein Mittagsschläfchen ist. Nun, er hat leider Recht.“
„Wir brauchen alle unseren Schönheitsschlaf, Mylord“, neckte ihn Jacinda, und lächelnd erhob er sich.
„Vielen Dank für das Picknick.“
„Schön, dass Sie dabei waren. Ich habe übrigens vor, nächsten Mittwoch ein paar Landadelige nach Hawkscliffe Hall einzuladen. Reverend und Mrs. Picket werden auch da sein. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch Zeit hätten.“
„Das klingt sehr gut.“
„Dann betrachten Sie sich als eingeladen. Ist Ihnen sieben Uhr Recht?“
„Oh, wie elegant, dass Sie auf dem Land die Zeiten der Stadt einhalten!“
Jacinda lachte.
„Danke, Mylady, ich komme gerne“, versicherte ihr Lord Drummond.
„Hervorragend! Und bitte nutzen Sie doch unsere Teiche oder Flüsse zum Angeln. Mein Bruder hält sie gut bevölkert. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, um die Untat mei- nes dummen Hundes wieder gutzumachen.“
„Was für eine Sportlerin Sie sind! Haben Sie Lust, es mal mit Golf zu probieren? Sie müssen wissen, dass ich einen Platz auf Warflete gebaut habe.“
„Unser Jagdaufseher hat mir das erzählt.“
„Es ist ein schöner Sport. Falls Sie und Miss Hood morgen kommen wollen, gebe ich Ihnen eine Unterrichtsstunde.“
„Das würde mir sehr gefallen“, sagte Jacinda und drück- te ihm voller Wärme die Hand.
„Glauben Sie mir, eine Runde Golf ist bessere Medizin als dieser grässliche Digitalis-Tee des Apothekers.“ Er beugte sich über Jacindas Hand, nickte Miss Hood zum Abschied zu und lief dann seinem Arzt entgegen. „Ich komme ja schon“, knurrte er, nahm die Tasse Tee, die der Arzt ihm reichte, und trank sie mit angewiderter Miene aus.
Als die beiden Männer Richtung Warflete Manor ver- schwanden, tauschten die Frauen einen amüsierten Blick.
„Ich denke, Seine Gnaden hat Recht“, flüsterte Miss Hood, „der Earl ist ein bisschen verschroben.“
„Ich finde ihn charmant“, verkündete Jacinda und begeg- nete Miss Hoods erhobener Braue mit einem unschuldigen Lächeln. „Auf etwas verschrobene Weise, natürlich.“
Zwei Stunden vergingen, dann hörte Blade Schritte und Stimmen im Flur. Rasch stand er auf und ging zu den rosti- gen Gitterstäben, von wo aus er zu der eisenbeschlagenen Tür oben an der Treppe aufsah. Der zwergenhafte Gefäng- niswärter leuchtete mit einer Fackel in die Dunkelheit.
„Hier entlang, Mylord. Vorsicht auf der Treppe.“ Hinter ihm erschien Lucien, der dann mit einer höflichen Geste beiseite trat.
Blade schluckte, und seine Finger krampften sich um die Gitterstäbe.
Ein großer schlanker Mann in einem schwarzen Umhang und mit einem Gehstock in der Hand bückte sich durch die niedrige Türöffnung. Während der Marquis die Treppe hi- nunterstieg, musterte er mit arrogantem Blick das käfig- ähnliche Verlies. Dann setzte er seinen Hut ab, und Blades
Herz begann schneller zu schlagen, als all der alte Ärger wieder in ihm aufstieg.
Truro schickte den Aufseher weg und wandte sich dann mit berechneter Vorsicht um. „Lord Lucien, würden Sie uns bitte alleine lassen?“
Lucien schaute Blade fragend an.
Blade nickte, und der ehemalige Geheimagent warf ihm noch einen warnenden Blick zu, der ihm bedeuten sollte, sein Temperament zu zügeln, während Truro seinen Sohn betrachtete, als wäre er ein Pferd bei einer Versteigerung.
„Falls Sie mich brauchen“, sagte Lucien, „ich warte auf dem Flur.“ Dann zog er sich zurück.
Nach seinem Weggang herrschte
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