Gaelen Foley - Knight 06
Sie öffnete die Augen und sah ihn an. „Lass mich dir zeigen, dass ich deiner würdig bin.“
Michail erwog ihr Angebot sorgsam. Vielleicht konnte sie ihm nützlich sein. Bisher hatte noch nichts geklappt. Seine Männer hatten London und Brighton nach dem Mädchen abgesucht, er hatte auf den Hauptstraßen zurück nach Yorkshire Posten auf- gestellt, und Westlands Haus ließ er rund um die Uhr bewachen, aber bisher gab es keine Spur von Rebecca Ward. Das hatte bei Michail den Verdacht aufkommen lassen, dass jemand sie ver- steckte. Vielleicht konnte dieser alleinstehenden, geschickten Frau gelingen, woran all seine Männer gescheitert waren.
Als fester Bestandteil der Gesellschaft und als Frau, die ein- geweiht war in ihren Klatsch, verfügte die Baroness zweifel- los über Möglichkeiten, Geheimnisse zu erfahren, zu denen er keinen Zugang hatte. Vielleicht konnte sie für ihn in Erfahrung bringen, wer das Mädchen verbergen konnte, oder vielleicht ei- ne neue Fährte finden für seine ergebnislose Jagd nach ihr.
Einer Frau zu vertrauen, war ein Risiko, das er gewöhnlich nicht einging, aber Rebecca war jetzt beinahe einen Monat ver- schwunden, und er wurde allmählich nervös. Außerdem musste er Eva nicht alles erzählen. Er konnte ihr einen Anhaltspunkt geben und sie dann die Spur selbst verfolgen lassen.
„Vielleicht gibt es etwas, was du für mich tun kannst.“
„Sag es“, flüsterte sie und setzte sich rittlings auf seine Knie, die Arme um seinen Hals gelegt.
„Als mein Großvater starb, wurde ich zum Vormund meiner jungen Cousine ernannt, einem Waisenmädchen von ungefähr zwanzig Jahren. Das dumme Ding lehnte sich dagegen auf, un- ter meiner Autorität zu stehen – bevor ich kam, hatte man sie verwildern lassen. Als ich dann versuchte, sie zu erziehen, lief sie davon.“ Michail schob Eva von seinem Schoß und stand auf, um den Rest seiner Zigarre auszudrücken. „Ich weiß nicht, wo oder bei wem sie ist“, sagte er, während Eva jede seiner Bewe- gungen beobachtete. „Ich vermute, inzwischen ist sie entehrt. Als sie ging, hatte sie wenig Geld, und ihre Jugend und Schön- heit wird sie zu einer leichten Beute gemacht haben.“
Bei den Worten „Jugend und Schönheit“ zuckte Eva zusam- men. Der Anflug von Eifersucht amüsierte Michail, doch da er ihre Hilfe wollte, warf er ihr einen beruhigenden Blick zu.
„Was mich angeht, so ist es mir verdammt egal, was aus Re- becca geworden ist“, log er. „Sorgen bereitet mir, dass das Mäd- chen sich angewöhnt hat, herumzulaufen und Lügen über mich zu verbreiten.“
„Tatsächlich?“, meinte Lady Campion.
„Ja. Lügen außerordentlich schockierender Art. Genug, um mir ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten, wenn sie nicht zur Räson gebracht wird. Unglücklicherweise ist es meinen Män- nern nicht gelungen, sie zu finden. Zuletzt wurde sie vor einigen Wochen in London gesehen. Seither scheint sie verschwunden zu sein.“
„Vielleicht ist sie tot.“
„Nein. Ich habe in London einen Mann, der auf die Todes- nachrichten achtet. Aber bisher konnte er nichts dergleichen feststellen.“
„Hast du Kontakt zu ihren engsten Freunden aufgenom- men?“
„Soweit ich weiß, hat sie keine. Außerhalb ihres Dorfes kennt sie niemanden. Ich halte es für möglich, dass sie zu einem der alten Freunde meines Großvaters geflohen ist, um dort um Hilfe zu bitten. Sie könnte den Namen Talbot benutzen, um sich Zu- tritt zu verschaffen.“
„Jemand aus der Gesellschaft?“, fragte Eva interessiert.
„Ja. Sie könnte mit jedem zusammen sein und widerliche, schmutzige Dinge über mich verbreiten. Ich habe darauf ver- zichtet, selbst Informationen einzuholen“, erklärte er vorsich- tig. „Wegen der Situation mit Lady Parthenia.“
„Richtig. Vielleicht kann ich dir helfen, sie zu finden.“ Sie leg- te den Kopf ein wenig schräg und musterte ihn mit einem las- terhaften Glanz in den kohlrabenschwarzen Augen. „Wie sieht sie aus?“
„Nun, wie ich schon sagte, sie ist zwanzig Jahre alt. Ungefähr so groß.“ Er hielt eine Hand in Höhe seines Brustbeins. „Gute Figur, ganz hübsch. Langes, gewelltes Haar bis zur Taille und blaue Augen.“
„Nun, das klingt nach einer Schönheit“, sagte Eva ein wenig verstimmt und musterte ihn skeptisch. „Bist du sicher, dass sie wegen deiner – Erziehung weglief, Michail?“
„Worauf willst du hinaus?“, fragte er mit einer empörten Kopfbewegung.
Sie lächelte ihm zu wie eine Katze, die am
Weitere Kostenlose Bücher