Gaelen Foley - Knight 06
was Becky nicht war – alles, was sie nach Meinung ihres Großvaters hätte sein sollen. Aber ihre tollkühne Mutter war mit ihrem Marineoffizier durchge- brannt, und Becky war das Ergebnis.
Nun gut. Wenigstens war ihr Haar sauber. Selbst Mrs. Whi- thorn hatte widerstrebend zugeben müssen, dass es das Schöns- te an ihr war. Becky nickte ihrem Spiegelbild entschlossen zu, drehte sich um und verließ das Ankleidezimmer. Zeit, sich auf den Weg zu machen.
Sie wusste, dass es gefährlich war, aber als sie durch das Schlafzimmer kam, konnte sie nicht anders, sie musste noch einmal an Alecs Seite treten. Leise ging sie zu dem Alkoven,
zwängte sich in den schmalen Spalt zwischen dem riesigen Bett und der Wand. Nur einen letzten zärtlichen Blick wollte sie noch auf ihn werfen.
Sie beugte sich über ihn und sah ihn bekümmert an. Ich glau- be nicht, dass ich dich jemals Wiedersehen werde. Es tat weh, ihn zu betrachten. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, mit ihm Kontakt aufzunehmen, wenn Michail der Gerechtigkeit zuge- führt worden war. Andererseits war sie nicht sicher, ob Alec das wollte. Schließlich war er durch und durch ein Londoner Dandy.
Mit einem nachdenklichen Lächeln erinnerte sie sich daran, wie er sie unter der Markise geneckt hatte, während sie ihn mit dem Gaslöscher bedrohte. Was willst du damit machen, mein Leben auslöschen? Es war schrecklich zu gehen, ohne sich zu verabschieden, aber sie durfte nicht verweilen. Sie war nicht sicher, ob sie der Versuchung widerstehen könnte, die in diesen dunkelblauen Augen lag. Sie streckte den Arm aus, um sein gol- denes Haar zu berühren, hielt dann aber inne. Tränen traten ihr in die Augen. „Auf Wiedersehen, Engel“, flüsterte sie lautlos.
Dann schlüpfte sie ebenso lautlos hinaus.
Als die Tür zuklappte, erwachte Alec. Er hob den Kopf vom Kissen und blinzelte ins Licht.
„Becky?“, rief er heiser, aber er erhielt keine Antwort.
Ein paar Sekunden lang begriff er nicht, dann sah er, dass der Platz neben ihm leer war – und fluchte. Er sprang aus dem Bett, schlang sich eilig ein Laken um die Hüften, lief dann in die Ein- gangshalle und riss die Tür auf.
„Becky!“
Sie befand sich auf der Treppe, warf einen schuldbewussten und erschrockenen Blick zurück, dann lief sie weiter, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.
„Becky, komm zurück!“ Er hastete in die Halle hinaus. „Wo- hin gehst du?“
Sie eilte weiter, ohne sich umzudrehen.
Er blieb stehen und sah ihr nach, so verblüfft über ihre Flucht, dass ihm der Atem stockte.
Und dann wurde er wütend.
Das würde er nicht hinnehmen, einfach so zurückgelassen zu werden, als wäre er nicht wichtig. Nein, niemand liebte ihn auf diese Weise und schlich sich dann davon, als spielte das keine
Rolle. Es war eine Sache, wenn er selbst so etwas tat – wie oft war er morgens schon aus irgendeinem luxuriösen Boudoir ge- schlichen, weg von der schlafenden Dame, um einen tränenrei- chen Abschied zu vermeiden? Er würde nicht hinnehmen, dass ihm das Gleiche passierte!
Er war noch halb verschlafen, vollkommen verwirrt, und frag- te sich, was er falsch gemacht hatte, dass sie davonlief. In der vergangenen Nacht hatte er sie wie eine Prinzessin behandelt. Er, Alec Knight, hatte ihr sogar angeboten, seine Mätresse zu werden! Wie konnte sie ihn einfach so ohne ein Wort verlassen?
War das Band zwischen ihnen beiden nur das Ergebnis seiner Einbildungskraft gewesen?
Nun, so leicht würde sie ihn nicht loswerden. Entschlossen schob er das Kinn vor. Ich werde ihr folgen.
Da er kaum in den Hof hinauslaufen konnte mit nichts als einem Bettlaken am Leib, kehrte er zurück in seine Gemächer. Dabei kam ihm ein Gedanke. Verdammt, hoffentlich hat sie mich nicht ausgeraubt! Die Dienerinnen der Venus standen in einem gewissen Ruf, was Diebstähle betraf, und er hatte sie noch nicht bezahlt. Er öffnete eine Schublade in dem Tisch, wo er gewöhn- lich kleinere Geldbeträge aufbewahrte. Vielleicht hatte sie end- lich begonnen, sich wie eine Dirne zu verhalten ...
Das Geld war noch da.
Der Anblick beunruhigte Alec, er trug noch zu seiner Verwir- rung bei. Welche Dirne lief ohne Bezahlung davon? Hier ging etwas Seltsames vor sich. War es ihr Stolz, der sie von ihm weg- trieb? Ihre Art, ihm zu sagen, dass das, was sie in der vergan- genen Nacht erlebt hatten, nicht nur Geschäft war? Aber wenn auch sie so empfand, warum blieb sie dann nicht? Und was noch wichtiger war – wo wollte sie hin?
Wieder
Weitere Kostenlose Bücher