Gaelen Foley - Knight 06
empfand er den erstaunlichen Wunsch, sie zu be- schützen, wie schon in der vergangenen Nacht, als er sich vor- stellte, wie sie in einem der Bordelle in der Stadt um Arbeit nachsuchte.
„Verdammt“, flüsterte er und vermochte den Gedanken nicht zu vertreiben. Es gab anständige Etablissements, die ihre Mäd- chen gerecht behandelten, aber es existierten auch schreckliche Orte, wo sie unter Drogen gesetzt und geschlagen wurden und kaum genügend zu essen erhielten. Becky war zu neu in London, um den Unterschied zu erkennen.
Wenn sie mich nicht als ihren Beschützer will, na gut, dachte er verstimmt. Aber er wollte dafür sorgen, dass sie ein einiger- maßen anständiges Haus fand. Er würde ihr dabei helfen, ob sie das nun wollte oder nicht.
Er schlug die Vordertür zu, eilte in sein Ankleidezimmer und begann hastig, sich anzuziehen. Unbedachtes Mädchen! Viel- leicht glaubte sie, ihr gewinnendes Lächeln und ihre herrlichen Augen würden genügen, um ihr einen Peer zu verschaffen mit genügend Geld in den Taschen, wie seinen Bruder. Warum sollte sich eine wie Becky mit einem jüngsten Sohn abgeben?
Er verließ das Ankleidezimmer, aber da er die gefährlichen Gegenden Londons kannte, wo es einige der schmutzigen Bor- delle gab, nahm er seinen Degen und die Pistolen von der halb- mondförmigen Kommode in seinem Schlafgemach. Er nahm sich die Zeit, den Pistolengurt anzulegen, dann hielt er inne und betrachtete das Bett.
Becky.
Der Gedanke an sie genügte, um seine Sehnsucht zu wecken. Sein Blick fiel auf die Stelle, wo sie sich ihm so liebevoll hinge- geben hatte, und sah den blauen Hausmantel, der dort lag, wo sie geschlafen hatte. Er erinnerte sich, dass der unter ihr lag, als er sie aufs Bett hob, und jetzt bemerkte er einen dunklen Fleck mitten auf der blauen Seide, der seine Aufmerksamkeit erregte.
Was, zum Teufel ...?
Er trat näher, beugte sich vor und nahm den Mantel in die Hand, hielt ihn hoch, betrachtete ihn einen Moment lang ver- ständnislos und wie vom Donner gerührt.
Mitten auf der königsblauen Seide war ein scharlachroter Fleck. Der Anblick raubte ihm beinahe den Atem. Blut.
Nein.
Sein erster Gedanke war, dass er ihr wehgetan haben musste. Sie hatte ihn gebeten, vorsichtig zu sein, aber er war doch zu grob gewesen. Doch das war unmöglich.
Nein, nein, nein, nein, nein.
Keine ...
Die Teile fügten sich zusammen.
Ihr vertrauensvoller Blick. Das unschuldige Lachen. Ihre scheuen Küsse.
Nein. Das habe ich nicht getan. Das würde ich nie tun!
Du wirst doch sanft zu mir sein, Alec. Seine eigene instinktive Zartheit im Umgang mit ihr, als hätte sein Körper die Wahrheit gespürt, die sein Verstand nicht wahrhaben wollte.
Eine Jungfrau.
„Himmel!“ Alec ließ den Seidenmantel fallen, als hätte er sich daran verbrannt. Sein Herz tat einen Satz und begann dann, wie wild zu schlagen. Warum hatte er den Widerstand nicht ge- spürt? Aber – das Kondom. Er stieß eine Reihe von Flüchen aus und rief dann: „Du Narr!“
Der angeblich größte Liebhaber in ganz England hatte nicht einmal gemerkt, dass er letzte Nacht eine Jungfrau geliebt hat- te. Niemals gab er sich mit Jungfrauen ab. Niemals!
Aber wenn sie keine Dirne war, wer zum Teufel war sie dann – und was hatte sie vor?
Er war nicht einmal sicher, ob ihr wirklicher Name tatsäch- lich Becky Ward lautete. Er wusste nur, dass er sie unglücklich gemacht hatte und dass die Ehre ihm gebot, das wiedergutzu- machen. Himmel, vielleicht muss ich sie sogar heiraten!
Daran durfte er nicht einmal denken, sonst würde ihn viel- leicht der Schlag treffen.
Er schluckte. Eins nach dem anderen. Zuerst musste er sie finden. Er eilte hinaus. Wieder hatte dieses geheimnisvolle Mäd- chen ihn dazu gebracht, ihr nachzujagen – und das war neu für ihn. Gewöhnlich verlief es andersherum. Aber nicht bei ihr. Wie viel von dem, was sie gestern gesagt hatte, war wohl gelogen? Der Tanz hat begonnen, mein Mädchen, und wenn ich dich er- wische, werde ich dir deinen kleinen, zarten Hals umdrehen.
Er eilte die Treppen hinunter, mehrere Stufen auf einmal neh- mend, lief in den Hof hinaus, blickte nach links und nach rechts, doch er sah sie nirgends.
„Becky!“
„Ah, sie ist also Ihre kleine Freundin? Das passt.“
Alec fuhr herum und entdeckte seinen Piano spielenden Nachbarn, der quer über den Hof auf ihn zukam, lässig seinen Spazierstock schwenkte und eine Zigarre rauchte.
„Haben Sie gesehen, in welche Richtung sie gegangen ist?“
„Nun
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