Gaelen Foley - Knight 06
sich von einem kleinen Mädchen zerstören zu lassen. Nach seiner Ankunft in Westlands Haus hatte er zuerst diskret ein paar Worte an den Butler gerichtet.
„Mein lieber Freund“, hatte er gemurmelt, „wenn eine junge Lady mit dunklem Haar um Einlass bitten sollte, während ich Seine Gnaden besuche, würden Sie sie so diskret wie möglich festhalten? Ihr Name lautet Miss Rebecca Ward, eine Verwandte von mir. Wissen Sie, ich bin ihr Vormund. Das kürzlich erfolgte Ableben meines Großvaters – wie soll ich sagen? –, die schöne Rebecca leidet an einer Krankheit des Geistes.“
„Oje. Das tut mir sehr leid, Hoheit“, sagte der Butler.
„Vielleicht versucht sie, mir hierher zu folgen. In der letz- ten Zeit hat sie die Neigung entwickelt, ihren Beschützern zu entfliehen. Das ist natürlich sehr gefährlich für sie. Sie kann nicht für sich selbst sorgen. Wenn sie in der Stadt umherirrt, finden wir sie vielleicht nie wieder.“ Bedauernd hatte Michail den Kopf geschüttelt. „Vielleicht bin ich zu zart besaitet, aber ich kann es nicht ertragen, wenn ihre Ärzte sie einsperren. Sie weint so mitleiderregend. Das kann einem Mann das Herz brechen.“
„Das muss eine schreckliche Belastung sein, Hoheit.“
Michail hatte geseufzt und genickt wie ein Heiliger. „Ich er- warte nicht, dass Rebecca mir heute folgt, aber am Morgen wirkte sie sehr erregt. Sie sagte ihrer Krankenschwester, ich wäre der Teufel. Sehr traurig.“
Der Butler zuckte zusammen und nickte mitfühlend.
„Natürlich kann sie nichts dafür, aber ich möchte Ihren Herrn nicht in Verlegenheit bringen. Sie neigt dazu, eine Szene zu ma- chen. Wenn Rebecca erscheint, bitte ich nur darum, dass Ihre Lakaien sie festhalten und sofort nach mir schicken. Ich kann sie dann nach Hause bringen lassen. Sie müssen sich nicht sor- gen, grundsätzlich ist sie nicht weiter gefährlich – sie ist nur ein Mädchen. Aber sie kann ein wenig gewalttätig werden. Ihre Ärzte sagen, sie leidet an Hysterie.“
„Wir werden uns um sie kümmern, sollte die junge Dame ein- treffen“, versicherte ihm der Butler mit einer Verbeugung.
„Danke“, hatte Michail geantwortet, dem Diener eine Münze in die Tasche gesteckt und gelächelt. „Ich bin sicher, das Perso- nal wird nicht über ihre Verfassung reden.“
„Niemals, Hoheit. Dafür werde ich persönlich sorgen.“
„Guter Mann.“
Der gehorsame Diener hatte dann Michail in den Früh- stücksraum begleitet, wo der Duke of Westland bereit war, ihn
zu empfangen.
Und so wartete er hier auf sie, zornig, aber nicht übermäßig beunruhigt darüber, was seine kleine Cousine bereits alles un- ternommen hatte. Zwar war Rebecca seinen Männern beinahe zwei Wochen lang entkommen und hatte es immerhin bis Lon- don geschafft, aber eigentlich hatte er nichts anderes erwartet, denn sie besaßen beide das Blut der Talbots. Unabhängig davon war sie jedoch erst zwanzig Jahre alt und eine Frau, ein un- bedeutendes Wesen. Ein rotwangiges Landmädchen konnte un- möglich eine wirkliche Bedrohung für ihn darstellen.
Nein, bald würde er dieser temperamentvollen jungen Schön- heit habhaft werden, und dann würden sie ein ernstes Gespräch führen über ihr Herumschnüffeln, ihre Einmischungen und ih- ren Ungehorsam.
Dann würde er ihr eine Lektion erteilen, die sie so bald nicht vergessen würde.
Genau wie beim Drill seiner Soldaten oder beim Zureiten ei- nes Pferdes würde er ihr nur zeigen müssen, wer der Herr war. Westland ahnte nichts. In seiner Unschuld glaubte der Duke, er wäre nur gekommen, um über Politik zu reden.
Falls Westland erstaunt gewesen war, dass Michail ohne eine Verabredung so früh erschienen war, so besaß er zu gute Ma- nieren, um seine Überraschung zu zeigen. Schließlich waren sie erst vor einer Woche durch die Fürstin Lieven einander vorge- stellt worden, und Westland hatte Michail eingeladen, jederzeit vorbeizuschauen, wenn er über die neuesten Entwicklungen im Parlament sprechen wollte.
Michail wusste sehr genau, dass es zu früh war für einen Be- such, aber er konnte nicht das Risiko eingehen, dass Rebecca vor ihm hier eintraf. Außerdem durfte er als Ausländer für sich beanspruchen, mit den Londoner Sitten nicht vertraut zu sein. Dieser Umstand hatte zusammen mit seinem hohen Rang und der Tatsache, dass die Whigs ihn wirklich brauchten, jede neugierige Frage bezüglich seines unerwarteten Auftauchens erstickt.
Schnell hatte Michail nach seiner Ankunft begriffen, dass der Duke
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