Gaelen Foley - Knight 06
großen Bett, denn das hatte er dem Aktionshaus nicht überlassen. Er nahm den ko- baltblauen Hausmantel, den Becky vergangene Nacht getragen hatte, und einen Moment lang betrachtete er nachdenklich den dunklen Fleck, der von ihrer Unschuld zeugte.
Trotz ihrer Weigerung war er nicht sicher, dass etwas anderes als eine Ehe infrage kam, um ihre Ehre zu wahren. Becky, dach- te er und legte den Beweis für seine Missetat langsam beiseite, warum willst du mich nicht?
Überall im Haus war es sehr still, und das Gästezimmer, in dem Becky ruhte, war mit einer Tapete versehen, die ihr das Ge- fühl vermittelte, in einem Sommergarten zu träumen. Die helle Nachmittagssonne brachte die sanften, klaren Farben der Blu- menmuster in Rosa und Lila zum Strahlen, und in dem eben- falls gemusterten Teppich herrschten Töne von Blau, Grün, Gelb und Rot vor. Das schlichte Bett aus dunklem Walnussholz hatte gestärkte weiße Bettvorhänge. Es war ein einfacher, gemütli- cher und völlig unprätentiöser Raum, und Becky lag auf der gewebten Tagesdecke so still, dass ihr Körper das Bett kaum zerknitterte.
Ihr offenes Haar breitete sich über das Kissen aus, sie trug ein bequemes Tageskleid, das der jungen Duchess gehörte, aus leichtem weißem Musselin, mit weiten Ärmeln, die bis zum El- lenbogen reichten, und einem kornblumenblauen Band, das um den Ausschnitt lief, um die hohe Taille und den Rocksaum.
Sie wartete darauf, dass Alec nach Hause kam.
In dieser nachmittäglichen Idylle dachte sie an ihren Be- schützer und sein beunruhigendes, aber doch ernst gemeintes Gelöbnis, sie zu beschützen. Sie ertappte sich dabei, wie sie über diese unerwartete Wendung der Ereignisse nachdachte, und sie versuchte herauszufinden, was das alles bedeutete.
Immer wieder musste sie an jenen atemberaubenden Moment
denken, als er sich auf ihre Verteidigung eingeschworen hatte wie ein Ritter in seiner stählernen Rüstung. Er gab ihr das Ge- fühl, eine Prinzessin zu sein.
Eine sehr begehrliche Prinzessin.
Er war vorgetreten und hatte so viel von ihrer Bürde auf sich genommen, wie er nur konnte, hatte sich ohne Zögern bereit er- klärt, ihr zu helfen. Doch die Frage war, was im Gegenzug ihre Pflicht gegenüber Alec war.
Ganz offensichtlich fühlte er sich verantwortlich für ihr Wohl- ergehen, und zwar als Reaktion darauf, was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen passiert war. Aber wenn das der Fall war, bedeutete das nicht auch, dass sie für ihn verantwortlich war? Es schien nicht fair zu sein, dass er so galant in die Bresche sprang, um sie zu retten, und nichts dafür bekam als ein Dan- keschön. Alec hatte recht. Dies war eine Sache der Ehre, und die Ehre war der Grund für sein Angebot gewesen, sie zu heiraten, so wie sie es aus purem Eigensinn abgelehnt hatte.
Rückblickend wünschte sie, nicht so voreilig geantwortet zu haben. Einen Sinneswandel würde Alec vermutlich ohne große Verwunderung hinnehmen – immerhin war er ein Gentleman. Aber was um Himmels willen würde er dann von ihr denken?
Sie wusste es im Grunde. Wie auch immer sie ihre geänderte Meinung begründen würde, er konnte nur zu einem Schluss ge- langen: dass sie zur Besinnung gekommen war, den offensicht- lichen Reichtum seiner Familie bemerkt und sich plötzlich der vielen Vorteile erinnert hatte. Kurzum, er würde daraus schlie- ßen – und man könnte ihm nicht einmal Zynismus vorwerfen –, dass sie so war wie jede andere Frau auch und nur an sich selbst dachte.
Aber das war nicht der Grund, warum sie seinen Antrag noch einmal überdachte.
Sie bedauerte nicht, was sie letzte Nacht mit ihm erlebt hat- te – tatsächlich wäre es unsinnig zu leugnen, dass sie ihn gern noch einmal so nah erlebt hätte –, eine Heirat konnte demzufol- ge nur richtig und vernünftig sein.
Unglücklicherweise wollte Alec sie nicht heiraten. Sicher, er hatte ihr einen Antrag gemacht, aber nur, weil dies eine Frage der Ehre war. Einen solchen Antrag konnte sie nicht annehmen. Er hatte bereits sein Leben aufs Spiel gesetzt, um ihres zu ret- ten, und mehr konnte sie nicht verlangen. Sie wollte nicht über
seine gesamte weitere Zukunft bestimmen.
Obwohl er als Gentleman aller Wahrscheinlichkeit nach ein verspätetes Ja statt ihres früheren Nein akzeptieren würde, bedeutete das nicht, dass er mit dieser Übereinkunft glück- lich sein würde. Gegen seinen Willen ans Haus gebunden, wür- de Alec bald beginnen, an seinen Fesseln zu zerren, und Becky dachte voller Unbehagen
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