Gaelen Foley - Knight 06
die Ehefalle zu locken. Doch keine von ihnen interessierte sich wirklich für mich. Sie sehen nur das hier.“ Er blickte um sich. „Das opulente Haus. Äußerlichkeiten. Meine familiären Verbin- dungen.“
Becky runzelte die Stirn. „Willst du damit andeuten, sie wür- den dich nicht wollen, wenn sie dich besser kennen würden?“
Er zog die Brauen hoch und wandte sich dann ab. „Du woll- test mich nicht.“
„Alec!“
„Nein, ist schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen. Wä- re ich ein Mann, dem du vertrauen könntest, dann wärest du jetzt noch Jungfrau. Stattdessen habe ich dich entehrt. Ich ha- be gelernt, mit vielen Sünden zu leben, aber wie ich mit die- ser leben soll, weiß ich noch nicht.“ Er betrachtete die Decke, als könnte er dort eine Antwort finden. „Ich wünschte, du wür- dest mich heiraten. Dann würde ich mich verdammt viel besser fühlen.“
„Sieh mich an.“ Becky setzte sich auf, als Alec sich nur wider- strebend ihrem festen Blick aussetzen wollte. Sie streckte den Arm aus, strich über seine glatt rasierte Wange. Wie konnte sie den bedrückten Ausdruck in seinen Augen bloß vertreiben? „Ich bedaure nicht, was wir getan haben.“
Eine Weile dachte er darüber nach, dann senkte er langsam den Blick. Schließlich seufzte er und brachte ein halbherziges Lächeln zustande. „Du machst mir Angst“, sagte er dann.
Sie lächelte. „Ich weiß.“ Becky rückte näher, umarmte ihn, wobei sie sorgfältig darauf achtete, nicht seinen Verband zu be- rühren, der unter dem weiten Ärmel versteckt war. „Zum Glück konnte ich schon feststellen, wie heldenhaft mutig du bist, Alec. Daher vertraue ich darauf, dass du nicht aus Angst vor mir da- vonlaufen wirst.“
„Ich werde es versuchen.“ Er küsste ihre Handfläche, dann erhob er sich und ging zum Fenster, getrieben von einer inneren Unruhe.
Liebevoll beobachtete Becky ihn.
„Was immer ich heute bin, ich wollte so nicht werden“, sagte er nach einer langen Pause und schaute aus dem Fenster. Dann lachte er kurz auf und murmelte: „Selbst ein Halunke wie ich hatte mit achtzehn Jahren hochfliegende Pläne.“
„Wovon träumtest du?“
„Ich wollte zur Kavallerie“, sagte er ehrlich, wobei er sie über die Schulter hinweg anlächelte. „Bonaparte bezwingen.“
Voller Zärtlichkeit erwiderte sie das Lächeln. Es war so leicht, ihn sich als kühnen Kavallerieoffizier vorzustellen, wie er bei den Horse Guards ritt, so schneidig, dass es kaum zu ertragen war. Angehörige der Kavallerie galten als sehr selbstbewusst und standen in dem Ruf, das Leben in vollen Zügen zu genie- ßen, so lange es eben dauerte. Diese Offiziere wollten ruhmreich sterben – und jung.
„Und warum bist du nicht zur Kavallerie gegangen?“
„Es sollte nicht sein.“ An den Fensterrahmen gelehnt, wandte er sich ihr zu. „Robert lehnte meinen Wunsch ab, ich sollte kein Kanonenfutter werden. Als Oberhaupt der Familie ist sein Wort Gesetz.“
„Er hat sich geweigert, dir ein Offizierspatent zu kaufen?“
„Ich würde es nicht so ausdrücken. Robert erbte den Titel, als er siebzehn Jahre alt war. Für uns jüngere Geschwister war er immer mehr ein Vater als ein Bruder. Er ist pflichtbewusst. Und überaus verantwortungsvoll.“
„Hattet ihr deswegen Streit?“
„Ganz im Gegenteil. Eine Folge des Lebenswandels unserer Mutter war, dass wir uns sehr aneinander gebunden fühlten und fühlen. Nun, Jack hat damit noch immer seine Probleme, aber das ist eine andere Geschichte. Wir anderen hingen ständig zu- sammen.“ Alec zuckte die Achseln. „Wir wuchsen heran, Jack fuhr zur See, und die Zwillinge gingen zur Armee. Als die Reihe an mir war, etwas aus meinem Leben zu machen, sagte Robert, in Anbetracht der geringen Überlebenschancen der anderen sollte ich mich als nächsten Erben des Titels betrachten. Derje- nige, der ,aufgespart’ wird.“
„Himmel!“
„Ich weiß. Kannst du dir mich als Duke vorstellen?“ Er lach- te. „Robert meinte, wenn die anderen sterben und ihm mögli- cherweise etwas zustößt, wäre ich der Einzige, der sich um die Familienangelegenheiten kümmern könnte. Er war davon über- zeugt – vermutlich aus gutem Grund –, dass seine abenteuerlus- tigen Brüder nicht lebend zurückkehren würden. So souverän der allmächtige Hawkscliffe ansonsten wirkt, der große Bruder in ihm konnte es nicht ertragen, uns alle zu verlieren, nachdem er uns praktisch aufgezogen hat. Die Familie kommt für ihn im- mer an erster
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