Gaelen Foley - Knight 07
am liebsten einfach übergangen wäre.
Es gab so vieles, das sie nicht von ihm wusste. So vieles, das er ihr nicht sagen konnte. Aber je wichtiger sie ihm wurde, desto weniger war er geneigt, ihr zu sagen, warum er ihrer nicht wert war.
Egal!, dachte er finster. Wenn sie erst einmal in London ist, dann wird sie es hören.
Andererseits, wenn er an all das dachte, was sie schon durch- gemacht hatte, dann konnte er sich nur wundern, wozu er all diese Kraft und Stärke besaß, wenn nicht, um sich um jemand anders zu kümmern? Um jemanden wie sie.
Aber sie war nicht die Frau, die er sich als seine Ehefrau vor- gestellt hatte. Er hatte sich eine brave Frau gedacht, die es nicht wagte, sich seinem verschlossenen Innern zu nähern.
Das traf ganz und gar nicht auf Eden Farraday zu.
Und doch – trotz all ihres Mutes, ihrer Klugheit und ihrer ver- dammten Beharrlichkeit – wer wusste besser als er, wie verletz- lich sie war? Wie behütet und naiv? Wer außer ihm konnte auf sie aufpassen?
Ja, er kam allmählich zu dem Schluss, dass das Mädchen ihn brauchte, ob ihr das nun klar war oder nicht. Es gefiel Jack, ge- braucht zu werden. Es machte ihn nicht nur glücklich, es gab ihm auch das Gefühl, Herr der Lage zu sein. Was ihm allerdings erheblich bedrohlicher erschien, war die Möglichkeit, dass er sie ebenfalls brauchte.
Es war eine gefährliche Situation.
„Psst ... Captain!“ Ein Flüstern lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Nähecke.
Er blickte dorthin und sah Eden, die mit blitzenden Augen um die Ecke des Wandschirms spähte. „Was gefällt Ihnen besser? Die rote Wolle oder der dunkelgrüne Samt?“
Sie hatten noch mehr Stoffballen gefunden, die eigentlich in
London verkauft werden sollten.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, denn offensichtlich amü- sierte sie sich großartig. „Ich habe keine Ahnung.“
„Oh, kommen Sie schon. Es ist für einen kleinen Spenzer“, er- klärte sie eifrig. „Was meinen Sie?“
Er zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. „Egal.“
Jetzt lächelte sie nicht mehr, sondern schmollte. „Sie müssen doch etwas bevorzugen, Jack! Sie sind das Zünglein an der Waa- ge. Martin und ich, wir werden uns nicht einig!“
Hinter ihr stand sein Diener, sodass Eden ihn nicht sehen konnte, und deutete eifrig auf den grünen Stoff. Nun, das würde zu ihren Augen passen. Er unterstützte die Wahl.
Sofort warf Eden Martin einen misstrauischen Blick zu. Doch er erwiderte ihren Blick mit Unschuldsmiene. Jack senkte den Kopf und unterdrückte ein Lächeln. Er würde es eigentlich be- vorzugen, wenn sie gar nichts trug ...
Das herrliche Bild, das sich bei diesem Gedanken in seinem Kopf formte, gab den Ausschlag. Mit einem unterdrückten Stöh- nen stemmte er sich von seinem Schreibtisch hoch und ging hi- naus, um sich in der Fechtkunst zu üben. Im Augenblick war es ihm unmöglich, sich auf Kopfarbeit zu konzentrieren.
Anstrengendes Training würde ihm helfen, seine Enttäuschung abzuarbeiten.
Nachdem Jack gegangen war, blieb Eden in der Kabine und ar- beitete an ihrem neuen Tageskleid. Als Nächstes eilte Martin da- von, um sich um seine täglichen Pflichten zu kümmern, was in diesem Fall bedeutete, dass er die Leinenhemden des Kapitäns in der Wäscherei zu bügeln hatte. Es machte Eden allerdings nichts aus, allein zu bleiben, denn sie war sehr beschäftigt.
Seit dem Zwischenspiel am Morgen gingen ihr in Bezug auf Jack seltsame Gedanken durch den Kopf. Obwohl sie einander erst seit kurzer Zeit kannten, hatte sie doch die Möglichkeit ge- habt, ihn in seinem normalen Umfeld zu beobachten und hatte an dem groß gewachsenen Mann viel Liebenswertes entdeckt. Es erstaunte sie der Mut, den er mit seiner Mission für den Kampf der Kolonisten um die Freiheit bewies, etwas, das nicht einmal sein Vater, der Duke, hätte tun können, wie er betonte. Und sie war gerührt von dem Schmerz, den sie gespürt hatte, als er beim Thema Familie schwieg.
Nachdem sie ihn jetzt mehrere Tage lang beobachtet hatte,
hatten sie seine Führungsqualitäten nur noch mehr beeindruckt, seine Sorge für seine Männer und die Fähigkeit, sein Imperium von dem großen Mahagonischreibtisch in seiner Tageskabine aus zu lenken.
In Anbetracht seines Rufs überraschte es sie, wie sanft, so- gar nachgiebig er sich ihr gegenüber verhielt, und sie hatte das Gefühl, dass er sogar sich selbst ein wenig überraschte. Es war ganz offensichtlich, dass er nichts von alldem wirklich tun müsste – sie zu versorgen,
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