Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
hinunter und dann auf der Promenade wieder zurück. Zweimal pro Nacht. Als sie die Gasse erreichten, fünfzig Meter von ihm entfernt, hielten sie im Windschatten des Lagerhauses inne, um zu rauchen und sich zu erleichtern.
    Takeda fluchte.
    Mehr als drei Viertel einer Kerze waren vergangen, seit er die erste Zündschnur in Brand gesetzt hatte.
    »Guten Abend, Hinodeh«, sagte André, als er ihr Haus im Garten erreicht hatte. »Tut mir leid, spät.«
    »Guten Abend, Furansu-san. Sie kommen niemals zu spät. Was immer Sie tun, ist richtig.« Sie lächelte ihn an. »Wünschen Sie Saké?«
    »Bitte.« Er setzte sich ihr gegenüber und sah zu, wie sie Saké einschenkte. Ihre Anmut erfreute ihn wie immer. Ihre glänzenden Haare waren mit dekorativen Nadeln hochgesteckt, ihre Lippen zart geschminkt, und sie hielt ihre langen Ärmel elegant von der Flasche fern.
    Heute abend trug sie einen Kimono, den er nie zuvor gesehen hatte, in einem wunderbaren Grünton, seiner Lieblingsfarbe, über und über mit Kranichen, dem Symbol für ein langes Leben, bestickt. Der Rand eines dünnen Unterkimonos blitzte verführerisch darunter hervor. Mit einer Verneigung reichte sie ihm die Tasse, und dann goß sie sich selbst zu seiner Überraschung auch ein, aus einer anderen Flasche, die gewärmten Saké enthielt – seiner war kalt, wie er es bevorzugte. Sie trank sonst nur selten.
    Mit einem besonderen Lächeln hob sie ihre Tasse. »A ta santé, chéri, je t’aime.« Sie ahmte seinen Akzent nach, wie er es ihr beigebracht hatte.
    »A ta santé, chérie, je t’aime«, sagte er mit wehem Herzen. Er konnte nicht glauben, was sie tat. Wie war das möglich?
    Sie stießen mit ihren Tassen an, und sie leerte ihre, schnappte ein wenig nach Luft und goß dann sofort beide Schalen wieder voll. Dasselbe Lächeln, und wieder stieß sie mit ihm an. Sie tranken, und erneut schenkte Hinodeh nach.
    »Mon Dieu, Hinodeh, du vorsichtig, ja?« sagte er mit einem Lachen. »Nicht gewöhnt Saké. Vorsichtig, nicht werden betrunken!«
    Sie lachte mit blitzend weißen Zähnen und sinnlichen Lippen. »Bitte, Furansu-san, heute ist ein besonderer Abend. Trinken und fröhlich sein, bitte.« Nun schlürfte sie aus ihrer Schale, schaute ihn über den Rand hinweg an, und ihre Augen glitzerten im Tanz der Kerzenflammen, Augen, die er unergründlich und verwirrend fand.
    »Warum besonders, Hinodeh?«
    »Heute ist Sei-ji-no-Hi, Volljährigkeitstag – für alle Personen, die das zwanzigste Lebensjahr erreicht haben – Sie haben es doch schon erreicht, neh?« sagte sie munter und zeigte dann auf die große Kerze auf dem Tisch. »Diese Kerze habe ich meinem Dorfgott Ujigami für Sie geweiht.« Dann wies sie auf die Shoji-Tür, über der ein Strauß aus Kiefer und Bambus hing. »Das ist ein Kadamatsu, der Stabilität symbolisiert.«
    Ein scheues Lächeln, und sie schenkte erneut ein und trank. »Ich hoffe, Sie sind einverstanden.«
    »O ja, danke, Hinodeh«, sagte er, und die Kehle wurde ihm eng.
    Vor ein paar Wochen hatte er herausgefunden, daß sie Geburtstag hatte, und ihr Champagner und ein goldenes Armband mitgebracht. Sie hatte bei dem Prickeln die Nase in Falten gelegt und behauptet, der Champagner sei wundervoll, aber nur davon getrunken, wenn er darauf bestanden hatte. Den größten Teil der Flasche hatte er geleert, und dann hatte er sie wie rasend geliebt.
    Im Laufe ihrer gemeinsamen Zeit hatte er gemerkt, daß die Heftigkeit seiner Stöße sie nicht störte. Sie reagierte immer gleich, was er auch tat, und legte sich danach ebenso erschöpft zurück wie er. Aber wie sehr sie ihre Vereinigung wirklich genoß, fand er nie heraus. Er war nicht imstande, es dabei zu belassen und ihre Verstellung hinzunehmen, wenn es denn wirklich Verstellung war – er konnte das Rätsel nicht vergessen, das sie für ihn geworden war. Eines Tages würde er dieses Rätsel lösen, davon war er überzeugt, und danach würden ihr Liebesakt und seine rasende, unersättliche Leidenschaft ruhiger werden, und er könnte in Frieden leben.
    Noch immer war sie sein ein und alles. Nichts anderes zählte. An diesem Nachmittag hatte er sich vor Angélique gedemütigt und gebettelt und gefleht und gedroht, bis sie ihm statt Geld eine Spange gegeben hatte. Raiko hatte sie akzeptiert.
    Angélique ist töricht. Warum zögert sie? Natürlich sollte sie Tess Struans Angebot annehmen, und zwar schnell, bevor es zurückgezogen wird. Das Angebot ist großzügig, mehr als großzügig, besser, als ich es

Weitere Kostenlose Bücher