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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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was geht Sie das an?«
    »Ich schreibe für den Stuttgarter Anzeiger .«
    »Da muss man sich ja vor Ihnen in Acht nehmen!«
    Ich schaltete auf Durchzug. »Wer ermittelt denn?«
    »Ich schlage vor«, sagte Weber, »Sie rufen unsere Pressestelle an. Die Staatsanwaltschaft ist von Amts wegen verpflichtet, der Presse Auskunft zu geben.«
    »Ach, wissen Sie was, Herr Dr. Weber? Es hat auch Vorteile, die Story ohne lästige Detailkenntnisse ganz groß aufzuziehen. Oberstaatsanwalt hat Affäre mit Judomeisterin. Gatte und dessen Geliebte tot. Das kommt gut.«
    »Ich schätze, es würde Ihrem Chef weniger gut gefallen, wenn er und sein Verlag sich einer Verleumdungsklage gege nübersähen.« Weber überholte einen Golf und bremste sich unmittelbar vor ihm in die Warteschlange an der Ampel ein.
    »Vielleicht können Sie mir aber doch eine ganz andere Frage beantworten«, begann ich unverwüstlich von Neuem. »Was würden Sie machen, wenn Ihnen auf der Drückbank ein Gewicht zu schwer wird?«
    »Ich stemme nie ohne Hilfestellung.«
    »Aber wenn nun keiner dasteht, der Ihnen hilft, das Gewicht wieder in die Gabel zu heben, was tun Sie dann?«
    »Abwerfen.« Weber zog den Wagen einhändig in die Linkskurve. »Ein Arm ist immer stärker als der andere. Meistens der linke, denn er ist für die großen Ausgleichsbewegungen zuständig. Die Stange würde seitlich fallen.«
    »Dann war Schillers Tod doch aber kein Unfall. Einem geübten Sportler wäre das Gewicht nicht in den Hals gesaust, bestenfalls auf den Brustkorb gekracht. Oder?«
    »Vielleicht ist Fritz der Kreislauf kollabiert. Schlecht aufgewärmt, überanstrengt. Das kann schon mal vorkommen.«
    Wie bei Anette, dachte ich. »Nein«, sagte ich. »Die Lunge eines schon Bewusstlosen produziert im Todeskampf keinen blutigen Schleim mehr. Schiller hat sich noch gewehrt. Vielleicht hat ihm einer die Stange in den Hals gedrückt, zusammen mit den hundert Kilo Gewicht.«
    Der Staatsanwalt warf mir einen prüfenden Blick zu. »Ziemlich riskant!«
    »Ach was! In diese Abteilung ist doch praktisch nie jemand reingegangen. Und schreien konnte Schiller nicht mehr. Ein Röcheln wäre kaum aufgefallen, zumal der Quickstepp-Techno alles zugeballert hat.«
    »Soso.«
    »Waren hundert Kilo nicht überhaupt ein bisschen gesponnen?«
    »Ein guter Sportler«, erklärte Weber, »stemmt mindestens sein eigenes Körpergewicht in zehn Wiederholungen. Schiller war gut trainiert.«
    »Wie viel schaffen Sie?«
    »Siebzig.«
    »Und was meinen Sie als Experte? Hätte ein Mörder Schiller an Kraft ebenbürtig sein müssen?«
    »Ich bin kein Experte, und dass es Mord war, ist eher unwahrscheinlich. Aber falls jemand eine Tötungsabsicht gehabt haben sollte, dann hätte es vermutlich vollauf genügt, Schiller zum Beispiel nur zu kitzeln. Der Körper steht unter solcher Anspannung, dass es bei geringster Ablenkung zu unkontrollierbaren Reflexen kommt.«
    Es reizte mich ungemein, Weber unters Jackett zu langen und die Spannungsverhältnisse zu testen. Aber an der Hackstraße wurde die Ampel gerade grün. Er bog in die Neckarstraße ein und steuerte auf den angestrahlten Bunker der Staatsanwaltschaft zu.
    »Seltsam ist nur«, bemerkte ich, »dass Schiller gar nicht vorgehabt haben dürfte zu trainieren.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Weber mit einem raschen Seitenblick.
    »Sie zum Beispiel tragen keinen Ehering.«
    »Ich bin nicht verheiratet.«
    Ich musste lachen. Immer ehrlich und humorlos, der Schwabe. »Nein, ich meine, an der linken Hand des Toten steckte ein Siegelring. Wenn einer eine Stange umfassen will, um hundert Kilo zu stemmen, nimmt er den Ring doch ab. Sonst ist entweder der Ring platt oder der Finger kaputt. Zumindest kneift es ziemlich.«
    »Hm.« Der Kühler mit dem Stern schob sich vors verrammelte Viereck der Einfahrt in den Hinterhof der Staatsanwaltschaft. »Kann ich Sie hier rauslassen?«
    »Vielen Dank«, sagte ich artig. »Ich wohne übrigens gleich da drüben. Sie hätten nicht zufällig noch Lust, irgendwo was trinken zu gehen?«
    »Nein.«
    Blöder Affe!

9
     
    Was tun mit dem angebrochenen Abend? Ich füllte meine Kaffeemaschine. Im Fernsehen interviewte irgendein Explo siv-Magazin das Baywatch -Starlett Pamela Anderson. »Wunderbar«, sprach die heißeste blonde Titte der damaligen Zeit, »ich habe alles im Griff. Meine Implantate schmerzen zwar gelegentlich, aber das ist ganz normal. Mein Arzt hat ein spezielles Vitaminprogramm zusammengestellt, vier rote, drei grüne,

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