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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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erst einmal die Kaffeekanne ins Vorzimmer zurück. Als ich wieder in Webers Büro trat, hatte er die Akte zugeklappt, in der er geschmökert hatte. Während ich unaufgefordert auf einem der beiden steilen Stühle vor dem Schreibtisch Platz nahm, versuchte ich die Aufschrift zu le sen, aber er hatte den Unterarm über die Aktenmappe gelegt.
    »Ich würde mit Ihnen gern über Katrin reden«, eröffnete ich.
    »Aber ich nicht mit Ihnen.« Weber griff nach dem Telefon und gab den Blick auf den Aktentitel frei. Ich erhaschte das Wort »Schiller«.
    »Katrin ist einschlägig vorbestraft«, sagte ich schnell. »Sie hat letztes Jahr einen Strafbefehl erhalten. Als Journalistin kann ich es nicht hinnehmen, dass ein Mord vertuscht wird, nur weil die Hauptverdächtige mit einem Staatsanwalt befreundet ist.«
    Weber zog die Hand vom Telefon, fasste sich an den Kra wattenknoten und fuhr mit der Hand über die Knopfleiste sei ner Weste zum Hosenknopf. »Ihre Methoden«, sagte er, »finden sicherlich nicht die Billigung Ihres Chefredakteurs.«
    »Ich weiß, Sie gehen mit Elsäßer Tennis spielen. Und Sie gewinnen meistens, erzählt man sich. Glauben Sie wirklich, mein Chef wird mich zurückpfeifen, wenn er damit in den Verdacht gerät, eine Vertuschungsaktion zu decken? Dann kennen Sie Elsäßer aber schlecht. Und selbst wenn, mir ist das egal«, fügte ich hochnäsig an. »Ich bin auf den Job nicht angewiesen.«
    Weber zog die Brauen hoch. Schwer zu entscheiden, ob er sich über mein Gekläff amüsierte oder wunderte oder ärgerte.
    »Jedenfalls hat Katrin ihren Mann schon einmal tätlich angegriffen«, fuhr ich fort, »und dafür sechseinhalb Monate auf Bewährung kassiert. Und sie hat keinen Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.«
    »Katrin … Frau Schiller hatte ein verständliches Interesse daran, die öffentliche Verhandlung zu vermeiden.«
    »Haben Sie ihr das geraten? Verstehe. Auch Sie trauen Katrin zu, dass sie mit einer Hantel auf ihren Mann losgeht.«
    »Sie ist doch wohl eher auf seinen Wagen losgegangen, nicht?«
    »Und die blauen Flecke hat Schiller sich dann hinterher selbst zugefügt, um seine Frau zu verleumden?« Mir fiel plötzlich die Denksportaufgabe ein, die Katrin mir aufgegeben hatte. Warum war Schiller an Brust und Armen verletzt gewesen, nicht aber im Gesicht? Klar, weil sich kein Mensch selbst das Gesicht demolierte. »Hieß Schillers Freundin eigentlich damals auch schon Anette?«
    Weber blickte mich an. Dass er nichts sagte, war mir Antwort genug.
    »Werden Sie Katrin als ihr juristischer Berater jetzt empfehlen, den Mord an ihrem Mann und seiner Geliebten zu gestehen, um weiteres Aufsehen zu vermeiden?«
    »Auch wenn Sie es nicht glauben«, sagte Weber im unterkühlten Widerstreit von Rechthaberei und Stolz, »Staatsanwälte lieben Geständnisse nicht sonderlich. Sie schaffen oft nicht die gewünschte Klarheit oder sind falsch. Und sie verführen die Polizei dazu, schlampig zu ermitteln. Widerruft der Angeklagte sein Geständnis dann in der Verhandlung, steht man saudumm da. Ich ziehe den lückenlosen Indizienbeweis vor. Am Ende mag der Angeklagte dann unter der Beweislast zusammenbrechen und seine Schuld einräumen.«
    »Mir scheint«, lächelte ich, »Sie lieben Ihren Beruf. Lieben Sie auch Katrin?«
    Weber holte entrüstet Luft.
    »Was sonst zwingt Sie«, unterbrach ich ihn, »Ihre Liegestützen in Fängeles Institut zu machen? Warum sind Sie Katrin aus der alten Sportschule in den Schlachthof hinterherge dackelt? Oder sind Sie mehr der Bullterrier, der Fängeles Ho senbein einfach nicht loslassen kann?«
    Eine ferne Kirchturmuhr schlug eine nächtliche Stunde. Eine Fliege zog ihr Vieleck um den Lampenschirm. Die Gefängnisfrage: Warum fliegt die Fliege keinen Kreis? Die Antwort: Sie glaubt, dass sie an einer Wand entlangfliegt. Erst wenn der Festkörper aus ihrem Blickfeld verschwindet, korrigiert sie die Richtung.
    Weber langte nach der Zigarettenschachtel. »Das sind gleich zwei Fragen«, sagte er, »eigentlich drei. Und keine werde ich Ihnen beantworten.«
    »Dann beantworten Sie mir vielleicht eine vierte: Warum tut Katrin sich das an, unter der sportlichen Leitung ihres Mannes zu arbeiten? Okay, sie hat Schulden und muss arbei ten. Aber warum zusammen mit ihrem Mann, von dem sie sich scheiden lassen wollte?«
    »Das müssen Sie Frau Schiller fragen.«
    »Wie heißt das Spiel, das wir hier spielen? Fang den Hut oder Schwarzer Peter.«
    »Es heißt Ene mene mu und raus bist du.«
    Der

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