Gaisburger Schlachthof
gehabt. Ich muss wohl nicht betonen, dass das, was Sie hier gehört haben, nicht den Weg in Ihre Zeitung finden wird. Und jetzt werde ich den Sicherheitsdienst rufen.«
Langsam, ganz langsam, zog ich, während Weber redete, das Telefon an der Strippe, die bei mir über die Tischkante hing, aus seiner Reichweite.
»Herr Dr. Weber, wissen Sie eigentlich, warum die Fliege da oben keinen Kreis fliegt?«
Er blickte tatsächlich hoch.
Ich zippelte noch ein Stück am Telefonkabel.
»Jetzt ist es aber genug!«, sagte Weber, mehr verärgert darüber, dass ich seinen Blick zu einer Fliege geschickt hatte, als über meine Anwesenheit. »Sie verlassen jetzt das Gebäude.«
Weber langte nach seinem Telefon, kam aber nicht hin. Er stutzte und schnappte erneut nach dem Hörer. Ich riss am Kabel, allerdings zu spät. Weber hatte die Hand schon auf dem Apparat. Das hielt das Kabel nicht aus. Es spratzte aus dem Telefon. Weber sprang auf, ich auch.
»Ich kann auch den Alarm auslösen«, sagte er, allerdings immer noch recht gelassen.
Da gab es also wirklich so einen kleinen Knopf unter dem Tisch für den Hausalarm, wenn ein Laboraffe randalierte. »Ich gestehe nur unter Folter, wie ich hier hereingekommen bin«, erklärte ich.
»Ach was! Sie sind zur Hintertür hereingekommen. Das kostet den Pförtner den Job. Und wenn Sie etwas Dienstausweisähnliches verwendet haben, dann kommt zum Hausfriedensbruch noch Urkundenfälschung und Amtsanmaßung.«
Er stand so dicht vor mir, dass ich nur die Hand zu heben brauchte, um ihn am Revers zu fassen. Der cognacfarbene Stoff fühlte sich italienisch an. Weber schloss die Finger um mein Handgelenk, machte aber keinen Versuch, den Griff zu lösen. Ein kluger Mann, der bei einer Frau eine gewisse kampftechnische Versiertheit in Rechnung stellte! Die kleinen grünen Punkte in seinen Augen kreiselten um große Pupillen, die Lippen waren im gerechten Zorn halb geöffnet. Ich ließ mich zu einer weiteren Showeinlage hinreißen und zog ihn heran. Er blockte ab, und ehe ich ihn küssen konnte, hatte er mich von sich gestoßen. Die Schreibtischecke bohrte sich in meinen Schenkel, bevor ich zu Boden ging.
»Was fällt Ihnen ein!«, fauchte er.
»Ach Gottle, Sie stellen sich ja an wie eine alte Jungfer!«
»Raus!« Weber hatte nun überhaupt keine Stimme mehr.
Hurra! Ich hatte ihn geknackt! Wenigstens ein Erfolg an diesem Abend. Ein guter Tag zu guter Letzt – jedenfalls bis zu diesem Moment. Weber erlaubte es mir sogar, das Gebäu de zu verlassen, ohne den Alarm für flüchtige Laboraffen auszulösen.
Hätte er es nur getan! Hätten sie mich doch eine Nacht in den Polizeigewahrsam gesteckt!
10
Es war höchste Zeit. Ich rannte zu meiner Wohnung hinauf, nahm den Schlüssel vom Brett, polterte die Stufen wieder hinab, hetzte die Urbanstraße hinauf und keuchte die achtzig Stufen hoch, um Sallys Schäferhündin Senta aus der Dachgeschosswohnung zu befreien. Senta kannte das Verfahren. Sie begrüßte die Junks an der Friedenskirche und schwänzelte mit leicht lahmem Hinterbein vor mir her die Stöckachstraße hin ab Richtung Funkhaus.
Der Personeneingang lag von der Neckarstraße abgewandt gegenüber den stockfinsteren Grünanlagen des Parks der Villa Berg. Senta verkrümelte sich schnüffelnd im Gebüsch. Bis Mitternacht fehlten noch ein paar Minuten. Ich rauchte an ein parkendes Auto gelehnt, aber außer Sichtweite des Pförtners. Sally hatte einmal nur knapp verhindern können, dass der Pförtner die Polizei alarmierte, weil draußen ein Kerl mit Hund herumlungerte.
Die Straße schwang sich dunkel und einsam zwischen Park und Funkhausbeton entlang. Über den Parkplatz vor der Pfor te kam eine Technikerin. Sie kannte mich inzwischen schon und grüßte. Zwei Minuten später trudelte Sally um die Ecke. Sie schüttelte die Locken, schwang sich die sackartige Handta sche vor den Bauch und kramte nach Zigaretten. »Hallo!«
Senta war wieder einmal verschwunden, hatte die Ankunft ihrer Herrin verpasst. Wir wechselten hinüber auf die andere Straßenseite. Das Grün wurde durch kniehohe Eisenbarrieren vor Aufparkern geschützt.
»Sally, ich muss ernsthaft mit dir reden.«
»Ja klar.« Sie kramte immer noch in ihrem Beutel. »Wor über denn?«
»Es hat einen zweiten Toten im Schlachthof gegeben. Es ist Schiller.«
Sally hatte endlich die Zigarettenschachtel gefunden. »Hast du Feuer?«
Jetzt fing ich an, in meinen Jackentaschen zu kramen. Aber, zum Teufel, so ging das nicht. »Sally, bist
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