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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ein. Ich ging beim alten Wesel vorbei, der fürs Feuilleton seiner Rente entgegenschlummerte, und bat um einen Schluck aus seiner Flasche Wodka Gorbatschow. Dann begab ich mich an die Arbeit.
    »Opfer eines schweren Gewaltverbrechens wurde ein zunächst unbekannter Mann in der Wilhelm-Camerer-Straße am Park Berg gegenüber dem Personeneingang des Funkhauses. Er wurde von einem Passanten gegen 0:30 Uhr in bewusstlosem Zustand aufgefunden und mit schweren Schädel- und Wirbelsäulenverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Sein Zustand ist lebensbedrohlich. Der ungefähr 25-jährige Mann von athletischer Statur führte keine Papiere mit sich. Er ist 178 cm groß, sehr muskulös, blond und blauäugig. Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Ermittlungen aufgenommen. Mögliche Zeugen werden gesucht.«
    Wenn er stirbt, dachte ich, dann kann er mich nicht verraten.
    In den Toiletten stand Ruth Laukin und riss am Handtuchspender. »Grüß Gott.« Ich riegelte mich in der Kabine ein und hielt mir die Ohren zu, für drei Minuten Besinnung auf die Biologie und den Eigengeruch des Geschlechts. Dann die Beschriftung auf den Hygienebeuteln lesen: Bag for Sanitary Pads – Prière de ne pas jeter dans le WC – bensi di metterle in cestino toilette. – Aus hundert Prozent Altpapier.
    Am Waschbecken kam dann die Erkenntnis: blond, blauäugig, sehr muskulös, athletisch: Horst Bleibtreu!
    Konnte das sein? Der sanfte Herkules plötzlich ein Mordbube? Woher hatten er und der andere überhaupt gewusst, dass ich Sally um zwölf am Sender abholen würde? Oder waren sie mir entweder von meiner oder von Sallys Wohnung aus gefolgt? War es nun gegen Sally gegangen oder gegen mich?
    Im Großraumbüro klapperten die Tastaturen und heulten die Telefone. Jemand lachte. In den fernen Fenstern hing Son ne. Ich schachtelte mich zwischen den grünen Wänden meines Kabuffs ein und fütterte meine Suchmaschine mit Stichworten wie Fettverbrennung und Bodybuilding. »Immer mehr Frauen sterben an Lungenkrebs und Herzinfarkt, weil sie rauchen. Aus Angst vor Gewichtszunahme gewöhnen sie es sich auch nicht ab. Zwei Schachteln Zigaretten am Tag verbrauchen etwa tausend Kalorien.« Oder: »Geheimnis des Llullaillaco-Erregers entschlüsselt. Impfstoff gefunden.« Das hatte mit Bodybuilding nichts zu tun, aber ich las es trotzdem. Ein Dorf in den Anden war vor zehn Jahren ausgestorben, weil ein Bakterium Muskeln, Organe und Gewebe auflöste und auffraß. Ekelhaft.
    Dann doch lieber Muskelaufbau. Ein Foto zeigte sieben Bodybuilder, Männer und Frauen mit glänzenden Gliedern in knappen Badehosen und Bikinis in seitlicher Brustpose, bei den weiblichen Athletinnen nicht sonderlich beliebt, denn in der Wettkampfphase schwanden nun mal mit dem Fett auch die Titten. Tagelang vorher gab es nur Wasser und Eiweiß, aber kein Fett, und Kohlehydrate gerade mal so viel, dass das Hirn noch funktionierte. Nur dann sprang beim Wettkampf jede Muskelfaser aus der Haut.
    Woran erkannte man den Dopingsünder? An den Pickeln und – bei Frauen – an der tiefen Stimme. Oder daran, dass jemand im Jahr mehr als fünf Kilo Muskelmasse zulegte. Wer Androgene-Anabole-Steroide nahm, fühlte sich wie ein Jungbulle auf der Weide. Allerdings schrumpften den Männern die Hoden auf Erbsengröße. Frauen bekamen Zysten an den Eierstöcken und einen Bart. Der Leberstoffwechsel kam ins Trudeln, der Herzmuskel wurde brüchig, die Magenwände bluteten. Es herrschte innere Auflösung. Ja, Fitness war noch nie ein Synonym für Gesundheit gewesen.
    Die German Masters, German Opens und World Champi onships zogen an meinem Auge vorbei. Arnold Schwarzeneg ger. Muskelmänner, Knubbelfrauen. Angestrengtes Lächeln über schwellendem Fleisch.
    Und sieh an, da war auch Horst Bleibtreu. Vor zwei Jahren hatte er im Mittelgewicht auf der Bühne posiert. »Total sauber, echt gut definiert dank eines guten Trainings«, laute te der Kommentar. Der Tod des österreichischen Bodybuilders hatte die Branche damals zwar in Wallung gebracht, aber nicht dazu, Doping-Kontrollen einzuführen. Gemein, dass die Presse immer nur von Anabolika redete. Horst allerdings starb jetzt nicht am Dope, wenn er starb und falls es tatsächlich er war, den man am Park der Villa Berg auf die Trage gehoben hatte.
    Ich ließ mich zum Polizeisprecher Winfried Käfer durchstellen. »Hier ist wieder die Volontärin. Ist die Identität des Schwerverletzten am Funkhaus inzwischen geklärt?«
    »Äh …«, stotterte Käfer. »Von wo

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