Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Abgründe. »Wenn mein Mann noch lebte, würde ich sagen, er hat dir eine Abreibung verpassen wollen, damit du die Nase nicht in Dinge steckst, die dich nichts angehen. Das war so sein Stil. Den andern vorschicken, selber im Hintergrund dirigieren. So hat er mich zur Kämpfe rin gemacht. Er war ein guter Coach, das muss man ihm lassen. Wenn ich nicht immer so wütend gewesen wäre, hätte ich nie die Deutsche Meisterschaft gewonnen.«
    Ich fragte mich, worauf sie hinauswollte. Sie war nicht nur körperlich unnahbar, sondern auch rhetorisch nicht zu fassen, die ideale Kämpferin eben. Hermetisch bis zur unerträglichen Schönheit.
    »Wenn Horst alleine gewesen wäre«, Katrin blickte auf und sah mich an, »dann hätte ich gesagt, er war’s, der Fritz auf dem Gewissen hat. Fritz konnte niemanden leiden, der schöner war als er. Er hat Horst immer wie einen Lakaien behandelt. Gewundert hätte es mich nicht, wenn Horst mal zurückgeschlagen hätte. Er ist nämlich auch kein Lamm, wahrlich nicht. Aber zu sich selbst war er nie hart genug. Deshalb hat er es weder als Kickboxer noch als Bodybuilder zu was gebracht. Er kann einfach keine Schmerzen aushalten. Und Bodybuilding ist das Schmerzhafteste, was es gibt. Du musst immer über die Schmerzgrenze gehen, beim Training und beim Hungern.«
    »Wusstest du, dass dein Mann hier mit Schlankheitsmitteln gehandelt hat?«
    Katrin presste die Lippen zusammen. »Ich habe mich schon lange nicht mehr für seine Geschäfte interessiert.« Sie schüttelte das Ehegespenst energisch ab und legte mir warm und stark die Hand auf die Schulter. »Und dich möchte ich morgen im Training sehen. Sonst verwindest du das nie. Sonst wirst du nie wieder jemanden werfen können. Klar?«
    »Alles klar.«
    Katrin schaute auf die Uhr an der Säule. Es war gleich neun.
    Wie gerufen kam Weber die Treppe hinauf, staubtrocken in braunem Dreiteiler mit bordeauxroten Socken und ebensolchem Binder. Katrin löste die Hand von meiner Schulter und schickte ihm ein Rendezvous-Lachen entgegen. Die Begrüßung verlief routiniert vertraulich. Auch das machte sie so perfekt, dass ich Zahnweh bekam, genau mit dem richtigen Maß an Lächelei und Gewissheit eigener Schönheit. Zu dem Aufwand an selbstbewusster Weiblichkeit, den sie trieb, gehörte es auch, dass ihr jetzt, da der Mann bereitstand, einfiel, noch kurz in Richtung Toiletten zu entschwinden.
    Weber kam zu mir an die Theke. Seine Augen huschten flüchtig über mein Gesicht und verzettelten sich dann in den Prospekten auf der Theke.
    »Sie sollten zusehen, dass Sie Großvater werden«, sagte ich. »Mit Kindern können Sie wirklich entzückend umgehen.«
    »Dazu müsste ich doch wohl erst einmal eigene Kinder ha ben«, antwortete er mit einem Unterton von Widerwillen.
    »Dann beauftragen Sie doch Ihre Schwester.«
    »Ich habe keine Schwester.«
    In meinem Hirn krachte es unverhältnismäßig.
    Er hob eine Braue. »Das ist anscheinend heute nicht Ihr Tag, hm?«
    »Taktgefühl war nie meine Stärke«, sagte ich.
    »Sie verstecken Ihre Stärken überhaupt sehr gut«, bemerk te er, während ich noch verblüfft mein Hirn nach den Bildern vom Karrieremann und der Fahrerflüchtigen absuchte.
    »Übrigens schöne Grüße von Sally«, unterbrach Weber meine Grübelei. »Sie fragt sich, warum Sie sie noch nicht besucht haben. Ich habe ihr gesagt, Sie hätten unheimlich viel zu tun. Sie kämen aber bestimmt morgen.«
    »Sie haben Sally im Krankenhaus besucht? Was wollten Sie denn bei ihr?«
    »Na, erstens kenne ich sie. Sie kellnert, wie Sie ja wissen, im Tauben Spitz. Und zweitens wollte ich ihre Version des Überfalls hören. Leider kann sie nicht sprechen. Aber wir haben uns trotzdem gut unterhalten.«
    »Wollen Sie mich verarschen? Die Sache kommt nie vor Gericht, und Sie sind nicht der ermittelnde Staatsanwalt.«
    »Wie wäre es, wenn Sie künftig die juristischen Angelegenheiten mir überlassen? Ich quatsche Ihnen ja auch nicht in Ihre journalistische Arbeit rein, auch wenn mir scheint, dass Sie sie mit übertrieben viel Körpereinsatz durchführen.«
    Eine Klospülung rauschte. Katrin lächelte an uns vorbei ins Büro. Weber blickte ihr hinterher. Ich nahm einen Schluck Cola, und Weber griff nach einem der Prospekte im Ständer, zog ihn heraus und schlug ihn auf. Ohne gedankliches Zutun tauchte meine Hand in die Innentasche meiner Lederjacke und fahndete im gefalteten Papier. Ich zog den Packen heraus und sortierte ihn auf dem Tisch: Pits Artikel mit Horsts

Weitere Kostenlose Bücher