Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
schwankender Stimme an: »Aber jetzt ist sowieso Schluss damit. Ich glaube, ich bin auf Entzug.« Sie sackte am Waschbecken zusammen. Ich fing sie auf und schleppte sie in den Ruheraum zurück.
    Mir schien es geboten, Gertruds Gedanken in Richtung Notarzt zu lenken, aber sie war nicht am Empfang. Dafür stand Fängeles Bürotür halb offen.
    Ich klopfte, trat ein und stutzte angesichts des Unerwarte ten. Das Büro war leer. Auf dem Schreibtisch, der ohne Fängele dahinter normale Dimensionen hatte, stand der Computer. Unterm Tisch befanden sich der Rechner und ein Rollwagen mit Büroutensilien von Schere bis Hustenbonbons, darunter eine Schachtel mit CD-Rohlingen.
    Zur Sicherheit bewahrte Fängele die Anmeldeformulare mit den Kundendaten auch in Papierform in mehreren Ordnern auf. Ich versuchte die Zahl der Kunden abzuschätzen: hundert, zweihundert, höchstens fünfhundert. Gesehen hatte ich eigentlich immer ungefähr dreißig. Zu gern hätte ich mal in die Computerdateien geblickt. Dort mussten die Daten aus Gertruds Lesegerät am Empfang gesammelt werden. Vermutlich konnte man genau sagen, wer wann anwesend gewesen war. Ansonsten konnte es mir wurst sein, wie viele zahlende und turnende Kunden Fängele hatte.
    Amüsant war dagegen seine Sammlung von Sportbüchern im Repräsentationsfach des Regals. Ein Bildband mit Arnold Schwarzenegger, Aikido, Karate, Lehrbücher über Muskelaufbau und Krafttraining, die Sportanatomie: »Damit ein Bein während eines Laufschrittes schnell nach vorn gependelt wird, muss man den Pendelradius so klein wie möglich halten. Dies erreicht man dadurch, dass man die Ferse an das Gesäß zieht, sobald man das Bein vom Boden abgestoßen hat.« Ob Fänge le überhaupt rennen konnte? Keines der bunten Exemplare wirk te zerlesen. So genau studierte Fängele seine Feinde nicht. Nur: Aus dem Band über Ju-Jutsu purzelte eine CD.
    Ich stellte das Buch zurück, klaubte die CD vom Teppich. Sie war nicht beschriftet. Ich steckte sie in die Innentasche meiner Jacke und linste zur Tür hinaus. Gertrud stand wieder an der Empfangstheke und wandte mir den griffigen Hintern zu. Fängele stand dicht daneben, die eheliche Hand an ihren Backen, ohne zupackende Geilheit zwar, aber doch beiläufig erpicht auf die Rückversicherung ihres Hüftschwungs, der ausblieb.
    Sie würden mich bemerken, wenn ich aus Fängeles Zimmer trat. Also zog ich die Tür wieder zu. Das Fenster zum Parkplatz war vergittert. Dass Fängele mich erwischte, war unvermeidlich. Nur durfte er hinterher keine CD im Ju-Jutsu-Buch vermissen. Ich riss die Schublade unterm Schreibtisch auf, fischte einen CD-Rohling aus der Schachtel, nahm das Buch aus dem Regal, stieß die Scheibe hinein und steckte das Buch zwischen die anderen zurück. Die Klinke der Bürotür senkte sich. Ich hechtete in den Stuhl vor dem Schreibtisch. Fängele trat ein.
    »Was machen Sie hier?« Er klang genervt.
    »Ich warte auf Sie.«
    »Gertrud hat mir gar nichts gesagt.« Fängele nahm seinen Schreibtisch auf den Schoß. Mir wurde flau. Hatte ich eigentlich die Schublade mit den CDs wieder zugemacht?
    »Womit kann ich Ihnen helfen?« fragte Fängele, um Höflichkeit bemüht.
    »Sie haben jetzt schon den dritten Mitarbeiter verloren.«
    »Frau Nerz, Sie mögen das vielleicht alles ganz unterhaltsam finden, aber ich nicht. Horst ringt im Krankenhaus mit dem Tod. Wenn er nicht stirbt, steht ihm ein Leben bevor, das man seinem ärgsten Feind nicht wünscht.«
    »War Horst Ihr Feind?«
    »Ich verbitte mir solche Fragen. In Anbetracht der Umstände halte ich es überhaupt für besser, wenn sich unsere Wege trennen, so sympathisch ich Sie auch persönlich finde.«
    »Aber ich habe für ein halbes Jahr im Voraus bezahlt!«
    »Dafür wird sich eine Lösung finden.«
    »Das gibt aber keine gute Presse.«
    »Wenn Sie wüssten, wie egal mir das im Moment ist!« Er blickte mich mit seinen Elefantenaugen an. »Sie wissen, was ich von körperlicher Gewalt halte. Ich will mir kein Urteil über Sie anmaßen, ich weiß nicht, was da am Funkhaus geschehen ist. Sie beteuern Ihre Unschuld, heißt es …«
    »Ich wurde angegriffen. Und zwar von zwei Personen.«
    »Ich glaube Ihnen sogar, wenn ich mir auch nicht erklären kann, was unseren guten Horst dazu bewogen haben könnte. Aber man steckt ja nie drin in anderen Menschen.«
    »Richtig. Aber Sie wussten, dass Schiller hier mit aufputschenden Schlankheitsmitteln handelte?«
    Fängele zog die nicht vorhandenen Brauen ins Knitterwerk

Weitere Kostenlose Bücher