Gala der Herzen
verwehrt, da er bereits ihre Begrüßungsworte mit einem verlangenden Kuss erstickte, und als sie morgens aufwachte, war ihr Liebster bereits wieder verschwunden.
Liebster! Zärtlich vor sich hinlächelnd ließ sie sich das Wort auf der Zunge zergehen. Doch bei dem Gedanken, dass die Woche bereits halb um war, schwand das Lächeln.
Am nächsten Tag tauchte James am späten Vormittag überraschend in ihrem improvisierten Büro auf der Dachterrasse auf, wo Lissa brütend vor ihrem Laptop saß.
„Komm, lass uns zum Lunch ausgehen.“
Mit einem Taxi fuhren sie in die Innenstadt von Ellos und suchten sich ein kleines Restaurant aus, in dem man etwas Privatsphäre hatte und ebenso vorzügliches wie schnell serviertes Essen bekommen konnte. Während sie die Karte studierten, meldete sich James’ Smartphone. Mit einer gemurmelten Entschuldigung las er die Nachricht und wollte augenscheinlich gleich antworten.
Hungrig wie sie war, winkte Lissa den Kellner heran und gab ihre Bestellung auf. James schaute hoch, als sich der Kellner gerade wieder entfernte.
„Ich habe für dich das Gleiche wie für mich ausgesucht, nur eine größere Portion“, beantworte Lissa seinen fragenden Blick. „Ist das okay?“
„Genau das hätte ich mir auch bestellt“, versicherte James und steckte sein Telefon wieder ein.
„Ich weiß eben, was du magst. Und auch, wie unersättlich du bist.“ Erst zu spät, wurde Lissa die Zweideutigkeit ihrer Aussage bewusst.
„Oh ja, das tust du wirklich …“, sagte er gedehnt und brachte sie damit tatsächlich zum Erröten. Aber es war nicht nur Begehren, was sie in seinem eindringlichen Blick sah, sondern noch etwas anderes. Ein neues Interesse, eine Intensität, die sie sich nicht erklären konnte.
Deshalb schnitt Lissa lieber ein unverfänglicheres Thema an. „Arbeitest du eigentlich immer so viel wie im Moment?“
„Für meinen Vater war harte Arbeit eine Art ethisches Prinzip. Er hielt es für die stabilste Grundlage eines sinnvollen Lebens, selbst, wenn man in Reichtum hineingeboren wurde … oder sogar gerade dann. Das hat er an uns weitergegeben.“
„Wie viele Geschwister hast du eigentlich?“
„Zwei Brüder.“
„Von denen du der Älteste bist.“
„Stimmt.“ James lächelte überrascht. „Wie kommst du darauf?“
„Dein übersteigertes Verantwortungsgefühl. Du bist ein Perfektionist und willst der Erwartungshaltung deiner Familie nicht nur gerecht werden, sondern sie noch übertreffen. Und solltest du dabei in Schwierigkeiten kommen, dann findest du bestimmt einen Weg, es so diskret zu tun, dass niemand es mitbekommt.“
James lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lachte. „Und was ist mit dir?“ Lissa senkte den Blick. „Ich gehöre zu den Normalsterblichen.“
„Und hast schnell gelernt, dass du die gewünschte Aufmerksamkeit am schnellsten bekommst, wenn du dich in der Öffentlichkeit danebenbenimmst?“
Der Schmerz war scharf und kurz. Aber Lissa hütete sich zu zeigen, wie sehr seine Worte sie verletzt hatten. „Mag sein …“
In diesem Moment wurde ihr Essen serviert.
Nachdem sich James eine Weile seinen Meeresfrüchten gewidmet hatte, legte er das Besteck zur Seite und schaute Lissa direkt an.
„Was würdest du tun, wenn du keine Prinzessin wärst“, fragte er neugierig. „Wozu hättest du Lust?“
Lissa witterte eine Falle und entschied spontan, nicht so zu antworten, wie er es offensichtlich erwartete. „Unsinnig, darüber nachzudenken, weil ich daran ohnehin nichts ändern kann“, erklärte sie betont lässig. „Das Prinzessinnending ist in meinen Genen verankert wie meine Haarfarbe.“
„Die kannst du ändern.“
„Warum sollte ich das tun?“ Lissa schob ihren Teller zurück. Ihr war der Appetit vergangen. „Und warum bist du nur so versessen darauf, mich zu ändern? Ich bin was ich bin, und mehr habe ich nicht zu bieten.“
„Denkst du das wirklich? Ich glaube, in dir steckt viel mehr, als das Partygirl, als das du dich so gerne präsentierst.“
„Such nicht nach etwas, das nicht da ist“, warnte sie ihn und dachte gleichzeitig, dass dies auch ein guter Rat für sie selbst war.
Bestimmt war es besser, nicht länger in jedem seiner Blicke nach Anzeichen von aufrichtiger Freundschaft, Zärtlichkeit und Verständnis zu suchen.
Doch James ließ sich nicht irritieren. „Du tust wirklich dein Bestes, um oberflächlich und selbstsüchtig zu erscheinen …“, konstatierte er, „… aber daneben gibst du sehr viel von deiner
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