GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
„Das warst du?", fragte er ungläubig mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja, das war ich!"
Lange schwieg er, bevor er zu sprechen begann: „Ich will dir glauben, auch wenn es mir schwerfällt. Hast du keine Angst, dass Netan dich gefangen nehmen könnte, wenn er erfährt, welche Gabe du besitzt?"
„Mach dir um mich keine Sorgen." tröstete ich. „Meine Familie beschützt mich und außer dir weiß es sonst niemand. Aber das ist noch nicht alles. Ich bin hier, um dir auch kund zu tun, dass auch Netan einen Seelenwanderer in seinen Diensten hat. Einen jungen Mann, den er dazu bringt, dich zu belauschen. Ich habe ihn gestern Nacht das erste Mal gesehen. Jere-mia, verstehst du? Netan weiß, dass du in Kanas bist. Er wird alles tun, um dich und Galans Armeen aufzuhalten."
Jeremia dachte nach. Konnte es wirklich möglich sein? War sie eine Seelenwanderin? Er musste ihr Glauben schenken, denn alles, was sie gesagt hatte, ergab einen Sinn. Die ganze Zeit hatte er sie gespürt, und wie er sie gespürt hatte. Er erinnerte sich an das Lagerfeuer, wie er ein Hauch seine Lippen berührte, oder die Berührung auf seiner Wange, als er bei Verson war. Konnte es wirklich sein, dass sie es war, die in ihm dieses vertraute und geborgene Gefühl ausgelöst hatte?
Sie stand vor ihm trotzig und abweisend, aber trotzdem rief sein Herz nach ihr. Seine Gefühle konnten ihn nicht täuschen.
Empfand sie das Gleiche?
Er war hin- und hergerissen, trotzdem musste er jetzt einen klaren Gedanken fassen. Es ging um Netan. Erschreckender erschien die Tatsache, dass Netan einen Wanderer besaß, der seine momentane Situation verraten hatte. „Wir müssen umgehend handeln? Was kannst du mir raten?", fragte er ohne Umschweife. Er wollte ihre Meinung wissen.
Verblüfft starrte sie ihn an und gab ihm die Antwort, die er zu hören wünschte. „Teile Fisius mit, was ich dir gesagt habe. Ihr müsst versuchen, morgen die Stadt zu verlassen. Lasst Krieger in Kanas, damit die Stadt geschützt ist, aber du musst abreisen."
„Was ist mit dir, Charisma? Kannst du uns nicht helfen?"
„Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Ich werde morgen in mein Dorf zurückkehren. Ich kann euch nicht mehr helfen. Meine Eltern lassen das nicht zu. Sie haben Angst um mich."
Jeremia war deutlich enttäuscht. Nein, er wollte sie nicht verlieren. „Ich kann dich nicht einfach so gehen lassen", sagte er zu ihr. Diese Aussage überraschte sie. Das erste Mal während ihres Gesprächs huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
„Wie meinst du das?", fragte sie.
Jeremia war überfordert. Er wollte, dass sie bei ihm blieb, dass sie nie wieder weg ging. Er empfand so viel für sie. Ja, er wollte sie bei sich halten, aber sagen konnte er es nicht. „Wir brauchen dich, wegen deiner Gabe. Du könntest uns sehr hilfreich sein."
„Oh, natürlich." Sie wirkte plötzlich ein wenig enttäuscht.
„Ich rede mit deinen Eltern, wenn du mir das erlaubst." War sie jetzt enttäuscht? Sie hielt kurz inne, bevor sie weitersprach.
„Nein, ich fahre nach Hause. Ich möchte meine Familie nicht in Gefahr bringen. Ich weiß, wie gefährlich es war, zu dir zu kommen und dir alles zu erzählen. Vielleicht werde ich dich nicht mehr besuchen. Vielleicht war das meine Aufgabe, mein Schicksal, dir heute zu helfen. Ich wünsche dir viel Glück, Je-remia. Lebe wohl." Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und lief davon. Sie konnte jetzt nicht so gehen und ihn hier stehen lassen.
Er lief ihr hinterher. Er musste ihr folgen. Die Dunkelheit war plötzlich da, ohne dass der Tag sich verabschiedet hatte. Wann war es dunkel geworden? Jeremia sah, wie sie sich auf ein Pferd schwang und davonritt. Schnell lief er zu seinem Pferd, stieg mit einem Sprung auf und ritt ihr hinterher. Er musste mit ihr reden. Vielleicht sah er sie heute zum letzten Mal.
Der Regen hatte eingesetzt. Ich ritt so schnell ich konnte. Ich wollte weg von ihm, nur schnell weg von ihm. Meine Sicht war verschwommen, denn nun ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Wie hatte ich mir nur einbilden können, dass er etwas für mich empfinden würde? Ich fühlte mich so gedemütigt. Ich blickte nicht zurück. Ich wollte nur so schnell wie möglich zu meiner Familie, die mich liebte und die mich auffangen würde. Als ich die Stadt schon hinter mir gelassen hatte, hörte ich hinter mir
Pferdegetrappel. Ich blickte mich um und sah, wie Jeremia mir folgte. Ich ritt langsamer. Was wollte er denn noch von mir? Ich war genug gedemütigt
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