Galaxis Science Fiction Bd. 06
die feuchten Abdrücke in der ausgetrockneten durstigen Erde möglich.
Noch ein wenig weiter – und der Boden zeigte die ersten Anzeichen der Nähe der Rimrockhügel. Hier und da lag ein Stein-brocken, ein Häufchen Mineralsalze. Allmählich wich der Sand und der Staub der Wüste vor schrundigen Felsrücken und brüchigen Salzpfannen, und die Fußabdrücke, die bis jetzt nur feucht von Schweiß gewesen waren, wurden blutig.
»Ich kann sie sehen«, flüsterte Kandro, der immer noch vor den anderen lief.
Sie legten den einen Kilometer bis zu der reglos daliegenden Gestalt des Mädchens im Dauerlauf zurück. Sie lag ausgestreckt da – und ihr rechter Arm wies auf die Rimrockhügel.
Tony zog ein Augenlid zurück und griff dann nach ihrem Puls. Er faßte hinter sich nach seiner Tasche und sah, daß Anna schon dabei war, die Spritze herauszunehmen.
»Adrenalin?«
Er nickte. Mit gewohnter Schnelligkeit bereitete sie die Spritze vor und gab sie ihm. Er beugte sich über Joan und stieß ihr die Nadel in den Unterarm. Dann setzte er sich und wartete.
Sein Blick streifte dabei Anna, und er richtete sich wieder auf. »Was ist los?«
Ihr Gesicht war angespannt, und sie hatte den Kopf zurückgeneigt wie ein Tier, das den Wind prüft. Sie spähte über das in der Hitze flimmernde Land und deutete mit einem zögernden Finger. »Dort draußen – in jener Richtung. Es bewegt sich.«
Kandro war schon losgegangen, bevor sie geendet hatte.
Stillman legte eine Hand vor die Augen und schaute in die angegebene Richtung. »Ein Felsen im Dunst«, sagte er schließlich…Nichts Lebendiges.«
Tony sah, wie Anna den Kopf widersprechend schüttelte.
Sie standen und warteten, bis Jim den angedeuteten Platz erreicht hatte. Er beugte sich nach unten, zögerte und marschierte dann mit entschlossenen, weitausgreifenden Schritten weiter.
Gracey machte sich auf, um ihm zu folgen. Man konnte nicht wissen, wozu Kandro in seiner augenblicklichen Verfassung fähig war.
Dann kam ein kaum wahrnehmbares Geräusch vom Boden, und Tony sank neben Joan Radcliffe in die Knie. Ihre Augen standen weit offen. Sie strahlten mit einem inneren Glanz, der in ihrem blut-und schmutzbedeckten kalkweißen Gesicht fast unirdisch leuchtete. Sie lächelte dabei ein kindliches Lächeln. Sie war zufrieden mit dem, was sie getan hatte.
»Joan«, sagte der Doktor, »kannst du sprechen?«
»Ja, natürlich«, wollte sie sagen, aber sie konnte es nicht. Sie machte nur die zu den Worten gehörigen Mundbewegungen.
»Hast du große Schmerzen?«
Sie schüttelte den Kopf. Vielmehr, sie wollte ihn schütteln, aber als sie ihn auf die eine Seite gelegt hatte, besaß sie nicht mehr die Kraft, ihn wieder aufzurichten. »Nein.« Diesmal zwang sie ein wenig Luft aus ihrer zermarterten Lunge, um das Wort hörbar zu machen.
Sie lag im Sterben, und Tony wußte es. Wenn es nur das Herz gewesen wäre, hätte er sie vielleicht retten können. Aber sie hatte schon vorher zu viel durchmachen müssen. Ihr Körper war nur noch eine leere und tote Hülle, in der – belebt durch das Adrenalin – für einen Augenblick noch ihr Herz und ihr Gehirn sich weigerten, zu sterben.
Er mußte sich entscheiden. Sie brauchten alle Informationen, die Joan ihnen geben konnte. Joan dagegen benötigte jedes Quentchen an Energie, das sie noch besaß, um die nächsten Minuten durchstehen zu können. Aber diese wenigen Minuten waren nicht wichtig, sagte sich der Arzt.
Noch während er zu seiner Entscheidung kam, wußte er, daß sie ihn sein ganzes Leben lang verfolgen würde. Wenn sie doch noch eine Lebenschance besaß, dann würde er jetzt einen Mord begehen. Aber es ging auch noch um ein anderes Leben.
»Höre mir genau zu, Joan!« Er legte sein Ohr nahe an ihren Mund. »Sag nur ja oder nein. Hast du gesehen, wie jemand Kandros Baby nahm?«
»Ja.« Sie lächelte zu ihm auf wie ein Engel.
»Weißt du, wer es war?«
»Ja, nein. Ich sah –«
»Versuch nicht zu reden. Du hast den Kidnapper genau gesehen?«
»Ja.«
»Dann war es jemand, den du nicht kennst?«
»Nein – ja.«
»Ich werde die Frage anders stellen. War es ein Fremder?«
»Ja.« Sie schaute zweifelnd.
»Jemand von der Kolonie?«
»Nein.«
»Ein Mann?«
»Nein – vielleicht.«
»Eine Frau?«
»Nein.«
»Jemand von Pittko?«
Sie antwortete nicht. Ihre Augen starrten auf ihre Arme. Der Doktor hatte sie auf den Rücken gedreht, und ihr rechter Arm lag jetzt wieder neben ihrem Körper. Sie stieß einen unheimlichen
Weitere Kostenlose Bücher