Galaxis Science Fiction Bd. 09
als man erwartet hatte.
Der zweite Zustand würde der der Schwerelosigkeit sein, von dem Oberth als »freien Fall« sprach und den man heute auch manchmal einfach als null g bezeichnet. Dieser gewichtslose Zustand bedeutet nichts anderes, als daß ein sich in ihm befindlicher Körper dem Zug der Erdanziehung im freien Fall folgt, wobei es nichts zur Sache tut, ob er nun wirklich fällt, oder sich einer anfänglichen Beschleunigung folgend von der Erde fortbewegt, oder die Erde umkreist wie ein Satellit.
Alles das war theoretisch ziemlich klar. Es verblieb aber noch die Frage, wie man auch diesen Zustand künstlich hervorrufen könnte. Es gab zwar einige Beispiele für den schwerelosen Zustand. So ist ein Kunstspringer, der vom Zehnmeterturm ins Wasser springt, gewichtslos von dem Augenblick an, in dem er das Brett verläßt, bis zu dem Augenblick, in dem er ins Wasser eintaucht. Dasselbe ist auch der Fall bei einem Skispringer. Aber diese Beispiele trugen in keiner Weise zu einer Lösung des vorliegenden Problems bei, denn in jedem Falle war erstens die im schwerelosen Zustand verbrachte Zeit viel zu kurz, um dabei schlüssige Beobachtungen zu machen, und zweitens hatten die Sportler während ihrer Sprünge an Wichtigeres zu denken.
Oberth versuchte, das Problem mit einem Kunstgriff anzugehen. Konnte man seinem Körper nicht glauben machen, den schwerelosen Zustand zu erleben, auch wenn er es in Wirklichkeit nicht tat?
Als wahrer Forscher experimentierte er am eigenen Körper, denn selbst die beste Beschreibung ist nur ein schwacher Ersatz für das eigene Erleben. Er spritzte sich ein Betäubungsmittel ein – Skopolamin, wenn ich mich recht erinnere – – und setzte sich in eine Badewanne, die mit Wasser von genau Körpertemperatur gefüllt war. Dann schloß er die Augen und drehte sich ein paarmal herum, um den Richtungssinn zu verlieren. Er erzählte mir später, daß der folgende Zustand angenehm gewesen wäre. Aber da damals noch niemand den schwerelosen Zustand in Wirklichkeit erlebt hatte, konnte man nicht sagen, ob Oberths Interpretation des Experiments auch wirklich zutreffend war.
Nach dem Kriege konstruierten amerikanische Wissenschaftler eine kleine Weltraumkabine, die man in einer Aerobee-Rakete installierte und in der ein paar Tiere – Mäuse oder Affen – untergebracht werden konnten. Die Tiere wurden dann fast hundert Kilometer hochgeschossen und hatten dabei folgende Erlebnisse:
Zuerst kam ein verhältnismäßig starker Andruck, während der Pulvertreibsatz abbrannte, dann ein weniger starker, aber wachsender Andruck, während die Rakete ihren flüssigen Treibstoff verbrauchte. Anschließend null-g, während die Aerobee den Scheitelpunkt ihrer Bahnkurve erklomm. Dann kam eine kurze Erschütterung, während die Kabine mit den Tieren von der Rakete abgesprengt wurde, und anschließend wieder Nullschwerkraft. Die Kapsel stürzte jetzt zur Erde. Endlich ein kurzer heftiger Ruck, als sich der Fallschirm öffnete, und dann normale Schwerkraft (l g), bis der Fallschirm mit seiner Last zu Boden geschwebt war.
Nun, die Tiere überstanden ihr Abenteuer erstaunlich gut. Was aber weder die Filmaufnahmen von ihrem Benehmen noch ihre Elektrokardiogramme sagen konnten, war, wie sie sich während ihrer Reise gefühlt hatten.
Bild 1: Lockheed T-33A startbereit für Parabelflug. Von links nach rechts: Major Herbert D. Stallings; Professor Hubertus Strughold, Dr. Siegfried Gerathewohl
UNGEFÄHR zur gleichen Zeit entwickelten die Brüder Fritz und Heinz Haber, beide von der Forschungsanstalt für Raummedizin, eine Methode, den schwerelosen Zustand auf ungefährliche Weise und für eine einigermaßen ins Gewicht fallende Zeitlänge auch für den Menschen künstlich herzustellen. Sie hatten folgende Überlegungen angestellt:
Wenn man mit einem schnellfliegenden Flugzeug einen Sturzflug durchführt und es dann wieder abfängt – wobei gleichzeitig die Motoren abgestellt werden müssen –, beschreibt das Flugzeug eine Kurve, während der es sich im schwerelosen Zustand befindet, bis die Motoren dann wieder angestellt werden müssen. Je schneller das Flugzeug ist, desto länger wird diese Kurve und desto länger auch die Periode von null-g. Für einen T-33 Düsenjäger betrug das Maximum 32 Sekunden. Und da der Bogen, den das Flugzeug beschrieb, einer Parabel glich, nannte man das Ganze Parabelflug.
Der erste Mann, der meines Wissens einen solchen Flug unternahm, war Capt. Charles E. Yeager.
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