Galaxis Science Fiction Bd. 09
können, dann würde ich als erstes darauf tippen, daß er einen Feinabstimmungskreis entwickelt hat, der noch viel exakter arbeitet als unserer, und daß er jetzt mehr oder weniger seine Sendungen unter den unseren entlangschmuggelt. Der einzige Weg, auf dem er das tun könnte – soweit ich das im Augenblick beurteilen kann –, wäre, daß er etwas wirklich Phantastisches hat, was die Abstimmung seiner Positronenquelle anbelangt. Wenn das zutrifft, dann bleibt für uns nur ein einziger gangbarer Weg: Wir müssen noch einmal zurück zum Beginn unserer Versuche und unsere Diffraktionen noch einmal überrechnen, um uns auf diese Weise zu vergewissern, ob wir unsere Positronenfrequenzen nicht noch mehr verfeinern können.«
Der Wissenschaftler schaute dabei so unbeschreiblich niedergeschlagen aus, als er diese Lösung anbot, daß Weinbaum aus purer Sympathie heraus ebenfalls Hoffnungslosigkeit in sich aufsteigen fühlte.
»Du schaust nicht so aus, als würdest du erwarten, damit etwas Neues aufzudecken?«
»Das tue ich auch nicht. Du mußt dir klar vor Augen halten, Robin, daß in einer Physik heutzutage die Dinge anders aussehen als im zwanzigsten Jahrhundert. In jenen Tagen wurde stillschweigend angenommen, daß das Gebiet der Physik praktisch keine Grenzen besitzt – das klassische Zitat wurde von Weyl geprägt, der einmal sagte, daß es in der Natur eines realen Dinges liegt, in seinem Inhalt und seinen Aspekten unausschöpflich zu sein.
Heute wissen wir, daß das nicht stimmt. Heute ist die Physik eine festumrissene und in sich selbst begrenzte Wissenschaft. Ihr Arbeitsbereich ist immer noch ungeheuer groß, aber wir wissen, daß er nicht länger mehr unbegrenzt ist.
Für die Korpuskularphysik gilt das noch mehr als für jeden anderen Zweig dieser Wissenschaft. Die Hälfte des Verdrusses, den die Physiker des vorigen Jahrhunderts mit der Euklidschen Geometrie hatten – und deshalb auch der Grund, warum sie so viele komplizierte Theorien der Relativität entwickelten –, kommt daher, daß sie eine Geometrie der Linie ist und deshalb unendlich unterteilt werden kann. Als Cantor nachwies, daß es wirklich verschiedene Unendlichkeiten gibt – wenigstens mathematisch gesprochen –, schien das auch die Frage der Möglichkeit eines unendlichen physikalischen Universums zu entscheiden.«
Walds Augen hatten sich unterdessen ein wenig verschleiert. Er machte eine Pause, um sich einen solchen Schluck des nach Lakritze schmeckenden Aquavits einzuverleiben, daß sich allein vom Zusehen Weinbaums Haare sträubten.
»Ich erinnere mich«, fuhr Wald fort, »an den Mann, der mir vor vielen Jahren in Princeton Gruppentheorie beibrachte. Er pflegte zu sagen: Cantor lehrte uns, daß es viele Arten von Unendlichkeiten gibt. Da hast du einen verrückten alten Professor.«
Wald tastete um sich, und Weinbaum brachte hastig die Flasche in Sicherheit. »Erzähl weiter, Thor.«
»Oh!« Wald blinzelte. »Ja, also heute wissen wir, daß die Geometrie, die auf die kleinsten Partikelchen Anwendung findet, nicht euklidisch, sondern pythagoreisch ist – eine Geometrie der Punkte, nicht der Linien. Sobald du einmal einen solchen Punkt gemessen hast – und es ist gleichgültig, was für eine Größe du dann mißt –, bist du soweit herunter in der Größenordnung, wie es überhaupt nur möglich ist. Ab diesem Punkt wird das Universum diskontinuierlich, und keine weitere Verfeinerung ist mehr möglich.
Und ich behaupte, daß unsere Positronfrequenzmessungen schon diesen Punkt erreicht haben. Es gibt kein anderes Element im ganzen Universum, das dichter ist als Plutonium. Trotzdem bekommen wir bei der Diffraktion durch Plutoniumkristalle die gleichen Frequenzwerte wie bei Osmiumkristallen. Nicht der geringste Unterschied. Wenn J. Shelby Stevens mit Bruchteilen dieser Werte arbeiten sollte, dann müßte er das tun, was ein Klavierspieler mit ›zwischen den Tasten spielen‹ bezeichnen würde – was man sich zwar vorstellen kann, was aber in Wirklichkeit unausführbar ist. Hup!«
»Hup?« sagte Weinbaum.
»Entschuldigung. Schluckauf.«
»Oh! Nun, vielleicht hat Stevens das Klavier umgebaut?«
»Wenn er den metrischen Rahmen des Universums umgebaut hat, um einen privaten Nachrichtendienst unterbringen zu können«, sagte Wald kampflustig, »dann sehe ich für meine Person keinen Grund, warum wir ihm nicht Einhalt gebieten können, indem wir den ganzen Kosmos für null und nichtig erklären.«
»Schon gut, schon gut«, sagte
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