Galaxis Science Fiction Bd. 10
müde dahin. Mit dem Fallen der Temperatur begann ein kalter, perliger Nebel den Horizont einzuschließen. Das Land um uns war zu ruhig. Und überall standen genug Büsche und Pflanzen, um Deckung zu gewähren. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, gerade hier zu landen. Aber wir konnten nicht einsehen, daß ein unfruchtbarer Landstrich besser gewesen wäre. Wir hatten schließlich in einem Gebiet landen müssen, das aller Wahrscheinlichkeit nach bewohnt war.
Nur ein einziges Mal sahen wir einen Marsianer. Auf steifen Tentakeln rannte er über einen kahlen Fleck zwischen dem Pflanzenwuchs. Hier, wo die Schwerkraft nur 38 Prozent der irdischen betrug, war das möglich. Zu wissen, wie ein Marsianer aussah, nahm der angespannten Atmosphäre etwas von ihrer Unheimlichkeit. Er sah aus wie Etl.
ETWAS später hörten wir, wie etwas pfeifend an der Außenhaut unserer Rakete abprallte. Auch hier also gab es schießfreudige Gesellen. Aber dann rief ich mir ins Gedächtnis zurück, wie auch wir auf der Erde Etls Käfig mit Maschinengewehren und Giftgasflaschen umgeben hatten, die ihn, wenn notwendig, töten sollten. Das war nicht aus Bosheit geschehen, nur aus vernünftiger Vorsicht heraus dem Unbekannten gegenüber. Und wenn wir jetzt von Bewaffneten eingeschlossen waren, war das nicht dasselbe – nur umgekehrt? Trotzdem war es kein gutes Gefühl, ob nun verständlich oder nicht.
Kein neuer Schuß fiel für eine ganze halbe Stunde. Unsere Anspannung wuchs bis ins Unerträgliche.
Endlich sagte Klein durch sein Helmradio: »Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, daß Etl hinausgeht und sich ein bißchen umsieht.«
Etl war natürlich der einzige von uns, der eine gewisse Überlebenschance hatte.
»Geh aber nur, wenn du es wirklich willst, Etl«, sagte Miller. »Es könnte selbst für dich gefährlich sein.«
Aber Etl hatte schon seine Sauerstoffmaske aufgesetzt. Er drehte ein Ventil auf, und die Luft im Schiff strömte zischend in seinen Käfig. Er öffnete dann die Käfigtür. Die kurze Zeit, die er der Erdatmosphäre im Schiff ausgesetzt war auf seinem Weg zur Luftschleuse, würde ihm nicht schaden. Jetzt bewegte auch er sich auf steifaufgerichteten Greifgliedern. Wie ein richtiger Marsianer.
Wie ausgemacht, ließ er seine speziell für ihn konstruierte Pistole im Schiff zurück. Wir waren zwar bewaffnet, hatten aber nicht die Absicht, davon Gebrauch zu machen, es sei denn in äußerster Not.
Etls Tentakel berührten den staubigen Boden seiner Heimat.
Eine Minute später war er hinter einem Busch verschwunden. Dann herrschte zehn Minuten lang angespanntes Schweigen. Es wurde gebrochen von dem Knall eines Schusses, der durch die dünne Luft leise an unser Ohr drang.
»Vielleicht haben sie ihn getötet«, sagte Craig besorgt.
Niemand antwortete. Ich dachte an eine alte Geschichte, die ich einmal gelesen hatte – von dem Jungen, der von Wölfen aufgezogen worden war. Seine Art ähnelte so der seiner Pflegeeltern, daß die Jäger ihn niedergeschossen hatten. Nur als Toter kam er zurück zu seinen Menschenbrüdern. Vielleicht war das immer so.
Bei Sonnenuntergang war Etl immer noch nicht zurück. Es gab also drei Möglichkeiten: Er war getötet worden. Er war gefangen worden. Oder er war zu seiner eigenen Rasse desertiert. Ich begann zu grübeln. Vielleicht waren wir komplette Narren gewesen? Was war, wenn mehr als nur Unterschiede in Erscheinungsform und Umwelt plus der Drohung des Unbekannten zwischen Erdmenschen und Marsianern standen und ihre Freundschaft verhinderten?
Was war, wenn die Marsbewohner von Natur aus bösartig wären?
Aber diese Überlegungen halfen uns nicht weiter. Wir hatten uns auf einer bestimmten Linie des Handelns festgelegt, und diese Linie mußten wir jetzt bis zum bitteren Ende weiterverfolgen.
Wir aßen ein frugales Abendbrot. Die kurze Dämmerung wurde zu einer sternklaren und kalten Nacht. Aber die Dunkelheit auf dem Boden blieb, bis Phobos, der nähere Mond – ein gezackter Steinbrocken – im Westen aufstieg. Dann sahen wir zwei Gestalten, die auf das Schiff zuliefen und in seiner Nähe in Deckung gingen. Als sie hinter einem kaktusähnlichen Gebüsch verschwunden waren, blieb mir nur noch die undeutliche Erinnerung an ihre seltsamen Masken und ihre im Mondlicht schimmernde Ausrüstung. Ihre Tentakeln hatten ausgesehen wie lebendig gewordene flatternde Lumpen.
WIR schalteten das Licht in unserer Kabine aus, damit wir von draußen nicht gesehen werden konnten. Dann auf einmal
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