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Galaxis Science Fiction Bd. 12

Galaxis Science Fiction Bd. 12

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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sich öffnen läßt.
    Sie hat Sie auf diese Weise mit Fremden, Vertretern. Lieferanten und anderen Leuten gleichgestellt, die keine Freunde der Familie sind. Aber was wollen Sie? Sie können ihr nicht vorwerfen, daß sie Kleider trägt, wenn Sie auf der anderen Seite es nicht gern sehen, wenn sie es nicht tut.
    Es gibt keinen Grund, warum sie zu Hause Kleider tragen soll. Das Haus ist sauber – nicht einigermaßen sauber, sondern sauber – und behaglich. Der Fußboden ist warm – auch für nackte Füße –, und Zugwinde oder kalte Wände gibt es nicht. Alle Luft, die ins Haus eintritt, wird vorher entstaubt. Alle Textilien auf Boden, Couch und Sesseln fühlen sich angenehm an. Jedes Zimmer, in dem sich momentan niemand aufhält, wird in die sterilisierenden Lichtfluten ultravioletter Lampen getaucht, und einige Male am Tage bläst ein künstlicher ›Wirbelwind‹ allen doch noch vorhandenen Staub von Möbeln und Fußboden und fegt ihn aus dem Haus. Die Bewohner des Hauses merken von dieser Automatik fast gar nichts, denn sie schaltet sich von selbst aus, solange sich ein Körper von Bluttemperatur im Zimmer befindet.
    Ein solches Haus kann zwar unordentlich werden, aber nicht schmutzig. Fünf Minuten Ordnung schaffen, da und dort ein paar Fingerabdrücke der Kinder wegwischen, und die Hausarbeit ist getan. Häufiger, als zu Kaiser Wilhelms Zeiten die Bettwäsche gewechselt wurde, überzieht die Hausfrau des Jahres 2000 jeden Stuhl, Sessel und jede Couch mit einem neuen Bezug, wobei der alte einfach weggeworfen wird. Das geht ganz leicht: Auf einer im Innern der Sessel oder der Couch verborgenen Rolle befindet sich ein Vorrat, der für ein ganzes Jahr reicht. Der farblose Schonbezug bleibt haften, bis man ihn absichtlich loslöst. Farbe, Muster und Struktur des Originalbezugs kommen nach wie vor voll zur Geltung.
    Sie folgen Ihren Enkelkindern in das Wohnzimmer, setzen sich und machen eine Bemerkung über das schöne Wetter.
    »Nicht wahr?« sagt sie. »Komm, gehen wir sonnenbaden.«
    Der sonnige Innenhof verlangt direkt nach entblößter Haut. Dankbar wirft sie ihren Hausmantel ab und streckt sich auf einer Couch aus. Sie zögern einen Moment. Aber schließlich ist sie Ihre eigene Enkeltochter, also warum nicht? Sie ziehen sich ebenfalls aus. Das geht schnell, denn Oberkleidung und Schuhe haben Sie schon in der Garderobe abgelegt (nur Barbaren tragen Schuhe in einer Wohnung). Ihre Großeltern haben sich an den Badestrand der Jahrhundertmitte gewöhnen müssen. Das war bestimmt nicht leichter als das hier.
    Auf der anderen Seite – ihre Körper waren faltig und alt. Ihrer dagegen ist es nicht. Die Triumphe der Hormonlehre, kosmetischer Behandlungsmethoden, der plastischen Chirurgie und so weiter sind dergestalt, daß weder ein Mann noch eine Frau sich bis zu ihrem Lebensende auffallend zu verändern braucht. Jedermann kann, wenn er will, seinen Körper schlank und rank halten – und fast alle wollen es. Das Ergebnis ist ein ausgesprochenes Paradoxon: Die Vereinigten Staaten weisen den höchsten Prozentsatz alter Leute in den ganzen zweiundeinhalb Jahrhunderten ihrer Existenz auf, trotzdem scheinen sie einen größeren Anteil junger, gutgewachsener Bürger zu besitzen als jemals zuvor. (Äuge nicht so auffällig, Junge. Es ist deine Großmutter!).
    Der Garten ist zur Hälfte eine Liegeterrasse zum Sonnenbaden, komplett mit Büschen und Blumen, Rasen und Couches, und zur Hälfte ein Schwimmbad. Der Tag ist zwar sonnig, aber kühl – doch nicht im Garten. Und auch das Wasser des Schwimmbeckens ist temperiert. Der Garten scheint im Freien zu sein, aber der Schein trügt. Er ist überdacht von einer Halbkugel aus durchsichtigem Kunststoff, die an Ort und Stelle installiert worden ist. Sie befinden sich innerhalb der Kuppel, die Sonne und die Tageskühle außerhalb, aber Sie merken nichts davon.
    Ihre Enkeltochter lädt Sie zum Mittagessen ein. »Bitte mach' Dir keine Umstände«, sagen Sie.
    »Unsinn«, bekommen Sie zur Antwort. »Ich koche so gern.«
    Und sie verschwindet im Haus! Sie überlegen, ob Sie mit ihr gehen sollen, aber es ist so behaglich warm in der Märzsonne, und die Stille hier draußen in der Vorstadt macht schläfrig. Sie finden einen Schalter an der Seite der Couch, stellen ihn auf sanfte Massage ein und lassen sich durchkneten. Die Couch beachtet Ihren Herzschlag und Ihren Atem. Sobald sie langsamer werden, verlangsamt auch sie ihr Tempo. Als Sie eingeschlafen sind, hört sie auf.
    Inzwischen

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