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Galaxis Science Fiction Bd. 12

Galaxis Science Fiction Bd. 12

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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    EIN großer Anteil der Science-Fiction-Literatur besteht aus Bizeps-Geschichten über Abenteuer im Weltraum, Atomkriege und Mutationen, Invasionen aus dem All und ähnlichem. Alles ganz nett und sicher auch spannend – doch heute wollen wir uns zur Abwechslung einmal einen bürgerlichen Haushalt der Zukunft ansehen. Zeit: Das Jahr 2000.
    Abgesehen von Kaffeesatz und analogen Mittelchen gibt es im Grunde nur eine Möglichkeit, auf die Zukunft zu schließen – indem man die Gegenwart im Lichte der Vergangenheit untersucht. Bevor wir also unseren Enkelkindern einen Besuch abstatten, wollen wir zuerst einmal um ein halbes Jahrhundert zurückgehen und bei unserer Großmutter vorbeischauen.
    Wir schreiben das Jahr 1900. In Amerika ist Mr. McKinley Präsident, Deutschland ist ein Kaiserreich und das Flugzeug ist noch nicht erfunden. Wir klopfen an die Tür des Hauses mit dem schmiedeeisernen verschnörkelten Gitterwerk, den bunten Glasfenstern und dem Türmchen auf dem Dach.
    Die Dame des Hauses öffnet uns persönlich. Wir erkennen sie natürlich. Es ist unsere eigene Großmutter, Frau Mittelstand. Sie ist fast so dick, wie wir sie noch in Erinnerung haben, denn nach ihrer Heirat ist sie ›etwas stärker‹ geworden.
    Sie heißt uns willkommen und bietet uns ein Täßchen Kaffee an und dazu Kuchen, den sie in ihrer modernen Küche (fließendes Wasser aus einer Handpumpe und der allerneueste Kohlenherd) selbst gebacken hat. Alles in ihrem Hause ist sehr modern – handgemaltes Porzellan, Andenken an die letzte Weltausstellung, Perlenvorhänge, gußeiserne Öfen mit Messingbeinen und Messingaufsatz, Gaslicht und an der Wand ein Telefon – Plüsch und Pleureusen!
    Ein Badezimmer ist noch nicht vorhanden, aber Frau Mittelstand und ihr Gatte gehen mit dem Gedanken um, sich eines einzurichten. Frau Mittelstands Mutter bezeichnet das zwar als Unsinn, aber unsere Großmutter geht mit der Zeit. Sie ist eine Anhängerin der Reformkleidung, trägt nur noch einen einzigen Unterrock, badet zweimal wöchentlich, und die Metallteile ihres Korsetts sind garantiert nichtrostend. Sie sympathisiert sogar mit der Sufragettenbewegung, den Vorkämpferinnen für das Frauenwahlrecht – obwohl sie sich hütet, diese Sympathie in Gegenwart ihres Gatten zu zeigen.
    Nichtsdestoweniger finden wir es etwas schwierig, mit ihr in ein beide Teile interessierendes Gespräch zu kommen. Kehren wir also in unsere eigene Zeit zurück und versuchen wir es hier einmal.
    Der automatische Lift bringt uns zum neunten Stockwerk eines vor wenigen Jahren errichteten Appartementhauses. Wir suchen uns die gewünschte Wohnung mit Hilfe der Nummer an der Tür – dem einzigen Merkmal, worin sich die vielen völlig gleichen Türen unterscheiden.
    »Hier brauchen wir nicht zu klingeln«, sagen Sie? Wie? Ach so, es ist Ihre eigene Wohnungstür, und natürlich wissen Sie genau, was dahinter liegt.
    Nun gut, reisen wir also ein halbes Jahrhundert in die Zukunft, und besuchen wir dort Ihre Enkeltochter.
    Das Haus, in der sie lebt, steht in einer Trabantenstadt, kaum dreihundert Kilometer von dem Stadtzentrum entfernt. Während das Taxi zur Landung ansetzt, können wir unser Ziel schon erkennen – eine Gruppe von Halbkugeln, ähnlich den Kuppelstädten auf dem Mond, wie sie in vielen Science-Fiction-Romanen beschrieben wurden.
    Nachdem wir ausgestiegen sind, kehrt das chauffeurlose Taxi selbständig zu seinem Hangar zurück, und Sie betreten die Eingangshalle. In diesem Haus brauchen Sie weder zu klopfen noch zu klingeln. Automatische Kontrollen haben seine Bewohner schon von Ihrer Ankunft unterrichtet, bevor Sie noch zur Landung ansetzten, und auf der Glasscheibe des Autobutlers leuchtet: Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.
    Bevor Sie noch in das Mikrophon sprechen können, ruft eine Stimme: »Ach, du bist es! Komm herein, komm herein!« Sie müssen einen Augenblick warten, denn Ihre Enkeltochter steht nicht etwa hinter der Tür. Der Autobutler hat Ihr Bild auf den Fernsehschirm im Lichthof geworfen, wo sie sich gerade sonnte, und ihre Stimme zurück zur Tür vermittelt.
    Vor der Tür bleibt sie einen Moment stehen, mustert Sie durch die polarisierte Scheibe und runzelt ganz leicht die Stirn: Sie kennt Ihre altmodische Einstellung gegenüber einem nackten Körper. Weil sie Sie nicht verstimmen will, schlägt sie für diesmal die Ratschläge des Hauspsychiaters in den Wind und wirft ein leichtes Gewand über, bevor sie die Tür

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