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Galaxis Science Fiction Bd. 15

Galaxis Science Fiction Bd. 15

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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Waren es ihre Legenden und ihre Geschichte, ihre Sitten und ihr Volkstum, die mir hier erzählt wurden – alle verkörpert durch einen exotischen Tanz, der für sie die Sprache ersetzte? Wenn ich nur seine Symbole entziffern könnte, würde das alle Rätsel lösen.
    Mehr verwirrt als gefesselt schaute ich zu, wie die Eingeborenen mit der nächsten Phase des Tanzes begannen, in der sie ihre Köpfe rollten und die Arme vor- und zurückstießen. Der Begleitgesang steigerte dann seine Innigkeit und kündigte den Übergang zum nächsten Abschnitt an, in dem geschmeidige Körper sich der Ekstase konzentrischer Kreisbewegungen um eine Zentralgestalt hingaben.
    Jetzt hatte der Tanz den Punkt erreicht, an dem er gestern abend von Sharp unterbrochen worden war. Aber er war noch nicht zu Ende. Die Gruppen lösten sich wieder in Einzeltänzer auf, von denen jeder eine gesonderte Position einnahm und dort regungslos stehenblieb. Die Lichtung war mit kleinen Lichtinseln übersät.
    Das Summen der Begleitmusik wurde tiefer, fieberhafter, und Bewegung kam in die Tänzer. Sie wirbelten um ihre Achse, hüpften im Kreis, liefen im Zickzack über das Feld, schwankten von rechts nach links.
    Sie tanzten mit dem Anflug einer wilden Sorglosigkeit, als wüßten sie genau, daß sie nicht mehr lange Gelegenheit hätten, sich in der Ekstase ihres Tanzes zu verlieren. Und dann kam ein flüchtiger Augenblick, wo ich bald glaubte, den Sinn begreifen zu können, der im diesem Tanz versteckt sein mußte und der sich mir immer noch entzog.
    Plötzlich schwebte eines der Mädchen in nächster Nähe an mir vorbei in einem anmutigen Aufblitzen von schnellen Gliedern und schimmerndem Licht. Sie verhielt einen Augenblick, um eine Pirouette zu beginnen, und unsere Augen trafen sich.
    War es Lola?
    Aber das war unmöglich. Selbst wenn sie die Wirkung des Hypno-Anästhetikums überwunden hatte, blieben immer noch die Schleusen, die sich nur Mitgliedern der Besatzung öffneten, bevor sie das Schiff verlassen konnte.
    Ich durchforschte die Lichtung mit meinen Blicken, sie noch einmal entdecken zu können, aber sie blieb verschwunden – verschlungen von dem Malstrom der Tänzer.
    Ich eilte zurück zum Schiff, wo ich sie fand, wie ich sie verlassen hatte.
    VOLLER Ungeduld schwenkte ich die Kaskadengeräte zurück und rückte den Tisch, auf dem Lola lag, etwas vom Fenster weg, damit das grelle Sonnenlicht sie beim Aufwachen nicht blenden würde. Dann wartete ich, daß sie aufwachen würde, und zerbrach mir dabei den Kopf, ob der Ansturm fremder Begriffe und Wortsymbole, dem ich sie ausgesetzt hatte, nicht vielleicht eine Intelligenz zerstört hatte, die so sanft und schön gewesen sein mußte wie die Hülle, die sie barg.
    Aber als sie endlich die Augen aufschlug, lag in ihnen immer noch der Glanz eines wachen Verstandes.
    »Du bist Lola«, sagte ich.
    »Aber warum bin ich hier?« Ihre Stimme hatte einen Klang, wie ich ihn noch nie gehört hatte – auf einem Dutzend frischerschlossener Planeten, auf an die hundert zivilisierten Welten.
    »Du wirst für dein Volk sprechen, bis wir ihnen ebenfalls gelehrt haben, wie man spricht.«
    Ihr Gesicht zeigte Verwirrung. »Warum sollen wir sprechen?«
    »Wenn ihr miteinander sprechen könnt, werdet ihr lernen, besser zu leben und glücklich zu sein.« Es war die Routineantwort – Artikel zwei, Absatz sieben des Handbuchs.
    »Aber wir sind glücklich.«
    »Aber ihr werdet noch glücklicher sein. Wir kommen von den Sternen. Und die Kinder eurer Kinder werden ebenfalls zu den Sternen gehen können.«
    Sie stand auf und lehnte sich zitternd gegen den Tisch. »Ihr müßt ohne uns gehen.«
    Ich packte sie an der Schulter und starrte in die Schönheit ihrer Augen. Und ich ertappte mich bei Gedanken, die – wie das Handbuch sagt – jedem guten Korpsmann fremd sein sollten.
    »Woher weißt du, daß wir zivilisiert werden können?« fragte sie.
    Sharp tauchte in der Tür auf. Er lächelte. »Sie kann also vernünftig reden?«
    Ich nickte, während er nähertrat und sich vor ihr aufbaute. Wieder die eiserne Faust?
    »Habt ihr Leute ein Sprache?« wollte er wissen.
    »Wir sprechen nicht.«
    »Aber ihr könnt reden«, beharrte er. »Ihr simuliert bloß, oder?«
    »Simuliert?« wiederholte sie. »Das Wort gehört nicht zur Grundsprache«, sagte ich zu ihm.
    »Genausowenig wie das Wort ›zivilisiert‹ , was sie doch richtig angewendet hat, als ich hereinkam.«
    Ich warf ihm einen unsicheren Blick zu und schaute dann Lola an.

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