Galaxy Tunes®: Roman (German Edition)
Pförtner berichtete mir unaufgefordert alles Neue über die Knicks, als ich in die Lobby trat. (Sie hatten gewonnen, aber meine Sorgen galten dem Schicksal eines bedeutenden Wirtschaftszweigs.) Ich dankte ihm und fuhr mit dem Aufzug in den sechsten Stock, in dem sowohl Manda als auch ich wohnten.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir beide uns dreizehnmal zu halbspontanen Abendmahlzeiten oder Trinkrunden getroffen, seit sie eingezogen war (ja, das ist eine exakte Zählung). Sie wohnte nur zwei Türen weiter (ebenfalls eine exakte Zählung). Wenn ich also den Zeitpunkt geschickt wählte (und ich gab mir wirklich alle Mühe), würden sich unsere Wege vielleicht zweimal pro Woche kreuzen. In der Zwischenzeit hortete ich Scherze und geistreiche Bemerkungen, die ich in unsere Gespräche einfließen lassen konnte. Ich bereitete kleine juristische Erkenntnisse vor, die ihr bei der Arbeit von Nutzen sein konnten. Außerdem hörte ich mir alle Alben oder Songs an, die sie beiläufig erwähnte, damit ich im Bilde war und eine Meinung dazu hatte, wenn sie ein weiteres Mal thematisiert wurden. Einmal hatte ich sogar drei kitschige Liebesromane von einer gewissen Robyn Amos gelesen, weil ich irrtümlich geglaubt hatte, sie sei Mandas Lieblingsautorin (wie sich herausstellte, war es irgendein Brite namens Martin Amis). 8
Als ich zu Mandas Tür kam, hielt ich kurz inne, bevor ich klopfte. Ich konnte ein schwaches Summen hören, begleitet von stockend gespielten Akkorden auf einer akustischen Gitarre. Sie arbeitete an einem neuen Song. Ich stand vor der Tür und horchte, während ich es nicht übers Herz brachte, sie zu stören. Manda hatte mir einmal erzählt, dass sie immer sämtliche Teile eines neuen Stücks gleichzeitig im Kopf hat – selbst wenn sie nur einen einfachen Akkord spielt. Wenn ich jetzt anklopfte, musste ich befürchten, dass sie wie die Steinchen eines explodierenden Rubik-Würfels auseinanderfielen, weil ihre Songs so komplex, fast schon barock sind. In jedem kommen mehrere Synthesizer und mindestens drei Gitarren zum Einsatz, von denen eine rasante Arpeggios spielt, die die Musik in einen kunstvollen, fast perkussiven Hintergrund hüllen. Dann kommen noch Schlagzeug, Bass und mehrere Gesangsstimmen hinzu, und am Ende ist wirklich eine Menge los.
Nachdem ich etwa eine Minute lang gelauscht hatte, kam ich mir allmählich wie ein Stalker vor. Aber ich wollte sie immer noch nicht stören, also schlurfte ich durch den Korridor zu meinem Apartment weiter, während ich einen Text tippte.
Bin da! Komm vorbei/ruf an, wenn dir danach ist – ich werde sehr lange wach sein!
Ich blieb vor meiner Tür stehen und las den Text noch einmal durch. Freundlich war gut, aber das hier grenzte an dümmlich. Also ersetzte ich die Ausrufungszeichen mit chirurgischer Präzision durch einfache Punkte. Die Dümmlichkeit war verschwunden. Doch nun klang es beinahe … kalt. Oder? Also setzte ich das erste Ausrufungszeichen wieder ein und ließ den Punkt am Ende stehen. Schon besser. Nun endete das Ganze mit einem kleinen Crescendo der Begeisterung, aber ohne diese Ned-Flanders-Note. Das einzige Problem war jetzt nur noch die grammatische Überladenheit. Ich meine, der Gedankenstrich ist etwas zu viel – oder? Ich wollte auf keinen Fall, dass Manda mich für irgendeinen Trottel hielt, der stundenlang an der Interpunktion einer SMS herumbastelte. Also ersetzte ich den Gedankenstrich durch ein Komma und den Schrägstrich durch »oder« und ließ das abschließende Ausrufungszeichen stehen. Als das geschafft war, drückte ich mutig auf »Senden« und betrat mein Apartment.
Ich schaltete das Licht ein. Meine Wohnung ist durchaus nett eingerichtet – die üblichen zwei Zimmer, vielleicht eine halbe Stufe oberhalb von Ikea möbliert. Aber das Ganze ist eindeutig das Werk eines heterosexuellen Mannes, der lange arbeitet und kein Gefühl für Design hat. Eine Couch und ein Fünfzig-Zoll-Plasmafernseher dominieren mein kleines Wohnzimmer, einfallslos vor gegenüberliegenden Wänden aufgestellt. Die einzige Andeutung von Stil kommt von einem prächtigen Bücherregal aus Palisanderholz, das ich mir einiges hatte kosten lassen, als ich bei Carter, Geller & Marks angefangen hatte. Mein Plan sah vor, dass ich es allmählich mit gebundenen Exemplaren der allerbesten Bücher auffüllte, die ich während meines neuen Lebens als New Yorker las – solche, die mich wirklich bewegten oder mich nachdenklich machten. Nach Möglichkeit sollten es
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