Galaxy Tunes®: Roman (German Edition)
die Vereinbarung muss mit absolut jedem Erdbewohner getroffen werden, der Urheberrechte geltend machen kann. In jedem Land und jeder Nation auf deinem Planeten. Außer Nordkorea.«
Wenn einem etwas Außergewöhnliches widerfährt, das man aufgrund seiner gesamten Lebensgeschichte zu würdigen weiß, kann es passieren, dass für einen plötzlich die Zeit stillsteht. Es heißt, dass so etwas mit Salieri passierte, als er zum ersten Mal die Musik von Mozart hörte. Und mit Edwin Hubble, als er erkannte, dass sich das Universum ausdehnt. Und es passierte mit mir, als mir die absolute Unmöglichkeit von Carlys Forderung bewusst wurde:
Die Vereinbarung muss mit sämtlichen Personen getroffen werden, die in der Musikindustrie tätig sind. Buchstäblich.
Mein Gott! Aber wo sollte man hier anfangen? Die Musikindustrie besteht aus Zehn- oder eher Hunderttausenden zerstrittenen Einzelspielern. Ein paar große Firmen, Hunderte von Mittelfeldspielern und unzählige Zwerge. Es wäre einfach unmöglich, so viele Menschen und Organisationen dazu zu bringen, sich auf irgendetwas zu einigen, selbst wenn sie alle vernünftig, klug und entscheidungsfreudig wären. Vernünftig? Sie glauben immer noch, sie könnten sich das Internet wegwünschen (oder wegprozessieren), obwohl die letzten anderthalb Jahrzehnte das Gegenteil bewiesen haben. Klug? Sie bezahlen meiner Kanzlei jährlich ein paar Millionen, um diesen aussichtslosen Kampf weiterzuführen, obwohl nicht einmal Heerscharen von Rechtsanwälten oder perverse Rechtsausschüsse das Näherkommen der Zukunft auch nur um eine Nanosekunde hinauszögern können.
Und entscheidungsfreudig? Diese Leute sind pathologisch gelähmt durch Ahnungslosigkeit, Arroganz, Politik, Bürokratie und insbesondere durch Angst . Die Angst davor, etwas Falsches zu tun. Und es ist keine Angst, sich selbst zu schaden, die sie behindert. Nein, was ihnen nächtliche Albträume bereitet, ist ihre Angst davor, etwas zu tun, das unabsichtlich jemandem nützen könnte, den sie hassen. Und das ist eine reale Gefahr, weil die großen Leute in der Musikindustrie jeden zu hassen scheinen, mit dem sie geschäftlich zu tun haben. Zunächst einmal hassen sie sich gegenseitig. Und ganz besonders hassen sie die Musiker. (Verwöhnte narzisstische Drugheads!) Auf jeden Fall hassen sie die Radiosender, die letztlich kostenlose Werbung für ihre Musik machen. (Sind viel zu mächtig, diese Drecksäcke!) Und sie verachten die Online-Musikindustrie. (Ausschließlich Geeks und Diebe!) Sie haben die Musikläden gehasst, als es noch welche gab. (Diese Drecksäcke hatten eine viel zu große Gewinnmarge!) Sie hassen die Kaufhäuser, die überhaupt noch ein wenig Umsatz mit realen CD -Verkäufen machen. (Republikanische Nazi-Geizhälse!) Sie haben schon immer die Konzertindustrie gehasst. (Dieses Geld sollten wir bekommen!) Und sie haben kaum etwas anderes als Verachtung für die zahlenden Musikkonsumenten übrig. (Diebe! Ein Haufen aus down loadenden Geek-Arschlöchern und beschissenen Die ben!) 29
»Was wäre, wenn wir nur alle größeren Labels an Bord holen?«, fragte ich verzweifelt. »Sie repräsentieren etwa achtzig Prozent des Marktes. Wir machen die Deals mit ihnen und verteilen die Tantiemen entsprechend an alle.« Obwohl mir die Großen Angst machten, hatte ich noch viel mehr Angst vor den Horden von Leuten, die die Rechte an nur einem oder zwei veröffentlichten Songs hielten. Ich erschauderte bei der bloßen Vorstellung, all diese Leute zunächst einmal ausfindig zu machen. Wir konnten es vergessen, mit jedem einzelnen Rechteinhaber einen Vertrag abzuschließen – das ließ sich einfach nicht durchführen.
»Du hast wirklich nicht die leiseste Ahnung, um wie viel Geld es hier geht, nicht wahr?«, fragte Carly.
Ich schüttelte den Kopf.
Sie wandte sich an Frampton. »Ich glaube, wir sollten es ihm vorrechnen.«
Er nickte, fuhr sein Stereoptikon hoch, griff dann in seine Hosentasche und zog eine Handvoll Kugelschreiber von Carter, Geller & Marks hervor, die er anscheinend von meinem Schreibtisch stibitzt hatte. »Dafür dürften sie sehr praktisch sein«, sagte er, behielt einen in der Hand und legte die anderen auf einem Tisch in der Nähe ab.
»Das Hauptproblem ist«, sagte Carly, »dass jedes Kultivierte Lebewesen im Universum private Kopien von etwa fünfundzwanzig Millionen eurer Songs mit sich herumträgt.«
Frampton malte mit dem Kugelschreiber die Zahl 25000000 in die Luft. Das Stereoptikon verfolgte seine
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