Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Entwicklungen verfügbar machte oder besser nicht. Es konnte mitunter besser sein, einer Gemeinschaft von Siedlern, die auf einer Wüstenwelt ums Überleben kämpfte, nichts von den neuen revolutionären Erfindungen ozeanischer Tauchtechnik und den Fortschritten bei der Algenzucht zu erzählen. Die Leute auf ihrem sonnendurchglühten Sandhaufen könnten bei solchen Neuigkeiten auf gewisse Ideen kommen. Und das wollte auf A. L. niemand.
Die berühmten Planetenterminals waren eine Art hochentwickelter Funkgeräte. Mit dem Unterschied, dass sie nicht auf Radiobasis arbeiteten, nicht mit jenen Wellen, die bloß mit Lichtgeschwindigkeit durchs All krochen. Die Terminals waren um ein Vielfaches schneller, weil sie einen Landau-Modulator besaßen. Und sie ermöglichten den direkten Zugriff auf die Datenbestände des Flottenkommandos. Wenn Tyrrells Behörde nicht nein sagte, konnte man durch ein Planetenterminal das gesamte Wissen der Menschheit abrufen. Die Datenmengen waren immens. Von den Inschriften aller jemals in irgendeiner irdischen Wüste gefundenen Steintafeln bis zum Speiseplan der Zentralkantine Offords von vergangener Woche – alles war da. Die Ballistik der Steinschleuder, mit der David dem armen Goliath so wehgetan hatte, und die Herstellungsverfahren eines Kaltfusionsreaktors.
Michael wollte wissen, welche Beschränkungen die Terminals auf Galdäa hatten. Vor allem die in Kanohook und Aras-Toit, die jahrelang nach den Ereignissen des Jahres elf in Betrieb gewesen waren. Es war ohnehin ungewöhnlich, dass man auf Galdäa eine solche Menge von Terminals installiert hatte; normalerweise hielt man ein Terminal pro Welt für völlig ausreichend. Eine Begründung für diese Ausnahme von der Regel war nicht zu entdecken.
Stattdessen fand Michael Angaben über Datendurchsatz und Gigabyteflusszahlen; nichts über eine Einschränkung. Das konnte nicht sein. Er hatte nicht richtig gesucht. Man konnte eine humanoide Rasse im feudalen und teils von Stämmen bestimmten Zustand nicht mit dem Wissen um sämtliche Fehltritte des Homo sapiens ausstatten und mit dem Knowhow der Atombombe belasten. Man konnte doch Kindern nicht Laser und Kraftfeldtechnologie geben und erwarten, dass die Gardinen vielleicht doch nicht Feuer fangen. Das konnte nicht sein. Man erzählte solchen Leuten nicht alle gruseligen Geschichten über die sagenhaften Hinterlassenschaften des Oktogons und die Greuelmärchen über die Mächte der untergegangenen Acht. Das konnte man nicht tun. Fürsten, die über Hinrichtungsplänen brüteten, gab man keine Nanotechnik und Genmanipulation in die Hand.
Aber man hatte es offensichtlich getan. Michael spürte, wie seine Wunden zu jucken anfingen. Falls das stimmte, falls diese Dateien die Originale waren, dann war einiges klar. Und warum sollten es nicht die unverfälschten Protokolle sein, mit denen er es hier zu tun hatte – schließlich arbeitete er direkt an dem Rechner des Mannes, der die zuständige Behörde zu leiten hatte. Es war alles klar. Bedrückend klar.
Und Michael fand seinen Verdacht bestätigt, als er die Protokolle der galdäischen Planetenterminals durchsah. Die Informationsmengen, die allein durch das Terminal von Kanohook gegangen waren, waren unermesslich. Michael zählte die vielen Stellen vor dem Komma ab. Dann starrte er auf die Maßeinheiten dieser Zahlenangabe; Gibibyte und Tebibyte, Yobibyte und Zebibyte waren ihm kein Begriff. Für diese Mengen fehlte ihm die Vorstellungskraft. Dieselbe Flut großer Zahlen fand er bei Aras-Toit, und die anderen Staaten hatten in den wenigen Jahren, in denen sie ein funktionierendes Terminal besaßen, ebenfalls nicht schlecht mit dem Pfund gewuchert. Die Gesamtmenge der übermittelten Daten war so hoch, dass man sie genausogut mit einer liegenden Acht hätte ausdrücken können, dem alten mathematischen Symbol der Unendlichkeit. Ausgerechnet einer Acht, die auch das Symbol für Unheil und Verderben war.
Michael versuchte nur einige Minuten lang, einen Vergleich zu finden, mit dem er Tyrrell oder irgendjemandem sonst klarmachen konnte, was da vor sich gegangen war. Es gab für solche Zahlen keine brauchbaren Bilder. Wie sollte man sich die Gesamtzahl aller jemals in kriegerischen Auseinandersetzungen getöteten Menschen vorstellen? Die Menge aller Steine, die Geschöpfe der Art Homo Sapiens seit dem Verlassen der neolithischen Höhlen zu mehr oder weniger standfesten Gebäuden aufeinandergeschichtet haben? Die Gesamtmenge der Sandkörner an den
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