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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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hat, und mit all den lästigen Nebenkosten. Tote, verlorene Schiffe, Lügen für die Öffentlichkeit.
    Ja, Michael, weiß man das? Wirklich? Was weißt du davon, wie es in einer richtigen Familie zugeht? Du hast nie eine gehabt. Du hattest nur Tasso, der wusste alles von dir, und du wusstest alles von ihm, und die Welt war übersichtlich und freundlich in La Felicita. Und das war keine Familie, wenn du darüber nachdenkst. Keine Eltern. Nicht wirklich. Vielleicht bist du nicht richtig rausgekommen dort, aus diesem behaglichen warmen Nest. Vielleicht bist du Tassos kleiner Bruder und weinst, weil du allein im Dunkeln stehst. Weil dein großer Bruder verschwunden ist, irgendwo im kalten dunklen Weltraum. Und weil sich die Welt als für dich zu kompliziert erweist. Ohne Tasso. Vielleicht bist du in dieser Welt immer noch so falsch wie ein verirrter Dunkelweltmensch.
    »Sind Sie der junge Mann, mit dem ich verabredet bin?«
    Michael schrak zusammen. Vor ihm stand ein sehniger, haarloser Mann in jenem Alter, das sich schon vor Jahrzehnten jeder Schätzung entzogen hatte. Ein alter Knochen eben, Produkt der modernen geriatrischen Medizin, die es selbst Hundertvierzigjährigen ermöglichte, ihrer Umwelt mit völlig irrelevanten Geschichten auf jeden einzelnen Nerv zu gehen. Dieses Exemplar von fleischgewordener Todesflucht strotzte in sträflicher Weise vor Gesundheit, im weißen Joggeranzug und mit schweißdunklem Stirnband.
    »Ja«, sagte Michael, »ich bin Ihre Verabredung, wenn Sie Tyrrell sind.«
    »Der bin ich, und ich habe nicht viel Zeit. Es ist wieder einmal Not am Mann, und ich soll hinkommen.«
    Michael verstand nicht.
    »Hin und wieder gehe ich zur Arbeit, sie sind knapp an Leuten, und da vergnüge ich mich mit der Einbildung, gebraucht zu werden.« Der Alte zwinkerte wie ein Verschwörer.
    Dann wurde Michael in einen Sessel komplimentiert und musste laut mit dem Alten reden, der sich unter die Dusche gestellt hatte. Die Dusche befand sich mitten im Raum, umgeben von einer Wand, einer Spirale klaren Glases. Tyrrell war jenseits aller Scham, und sein Körper wies kein Gramm Fett auf. Wie eine anatomische Studie: männliches Skelett, mit Haut und Augen. Hervortretende Rippen, hüpfender Adamsapfel, knotige Knie, unanständig lang herunterhängende Hoden, faltige Schulterblätter, und am ganzen Körper kein einziges Haar mehr, dafür überall Sommersprossen. Tyrrell wusch sich mit Schwung und Begeisterung. Prustend, sich abseifend, abtrocknend, ununterbrochen mit Michael redend und gut informiert. Recht schnell wusste Tyrrell, was genau Michael wollte. Mit den Worten, als alter Mann mit guten Beziehungen ins Jenseits habe er einen sechsten Sinn, stiefelte er – immer noch nackt – zum Terminal und ließ irgendwas bereitstellen. Dann erklärte er, in einen albernen seidenen Kimono steigend, wie Michael an die Informationen kommen könne und dass die alte Leiche Tyrrell mal kurz weg müsse, dringend, und gleich zurück sein werde. Dann war er verschwunden.
    Michael starrte dem Mahnmal der Unsterblichkeit ein paar Sekunden lang hinterher. Was für ein aufdringliches Wesen, mit seiner Energie und seinen Urnen-Redensarten, dachte Michael und machte sich an die Arbeit. Erfreut stellte er als erstes fest, dass die Datenkrätze diesen Rechner bislang nicht infiziert hatte. Vermutlich hatte Tyrrell in diesem Haus sein eigenes kleines Netz aufgebaut, und für die Seuche des weltumspannenden Netzes war keine Gelegenheit gewesen, hier einzudringen. Ein abgeschirmtes elektronisches Refugium, ähnlich wie das bei Dan Brögger.
    In dem Rechner des klapperdürren alten Mannes lauerten die Gesetze für die Terminals des Flottenkommandos. Paragraphen, Paragraphen. Hunderte von Vorschriften, abhängig von den jeweiligen Adressaten. Dutzende von Einschränkungen, Sondergenehmigungen, und gewisse Sondergenehmigungen für einige von den Einschränkungen. Es gab auch Einschränkungen für gewisse Sondergenehmigungen. Das alles war ein schwindelerregendes Netz von versteckten Verborgenheiten. Der Benutzer eines Terminals auf einem der angeschlossenen Planeten wusste nie, ob es für ihn eine Sperre gab oder nicht – ob man ihm alle Informationen gab oder ob man ihm welche verweigerte. Das wurde nicht am Terminal entschieden, sondern in Tyrrells Behörde auf Atibon Legba. Dort befand man darüber, welchem Neandertaler man welche kitzligen Technologien überließ. Tyrrells Behörde entschied, ob man einer bestimmten Kolonie die neuesten

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